Özdemir sieht „Politik der Zurückhaltung“ gegenüber Türkei gescheitert

Drohungen aus Ankara

Drohungen aus Ankara

Der Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei ist spätestens seit der Verhaftung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel mehr als eine eskalierte diplomatische Auseinandersetzung. Er betrifft zunehmend den Alltag in Deutschland. Immer mehr Deutsch-Türken, die sich kritisch zur türkischen Führung äußern, erleben Drohungen und Repressalien. Die persönlichen Drohungen gegen die Ehefrau des Außenministers funktionieren nach dem gleichen Muster: Sie kommen nur indirekt aus Ankara. Sie dürften das Werk der von Erdogan aufgestachelten Anhänger sein. Es war richtig von Gabriel, die Drohungen öffentlich zu machen. Dies könnte von ähnlichen Angriffen betroffenen Deutsch-Türken ermutigen, sich an die Strafverfolgungsbehörden zu wenden. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft muss dafür sorgen, dass Erdogans Saat des Hasses nicht aufgeht. Es gilt, im Umgang mit der Türkei Rationalität walten zu lassen. Die Bundesregierung sollte ihren harten Kurs gegenüber der Türkei fortsetzen und zugleich die Tür zum Dialog offen halten.

Reformfall Interpol

Deutsche Erdogan-Gegner, wie der Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli, haben Grundrechte, die sie in Deutschland und in der EU vor Verfolgung schützen. Sie dürfen sich nicht nur darauf verlassen, am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens ihre Bewegungsfreiheit zurückzugewinnen. Sie müssen bereits vor staatlicher Repression sicher sein, wenn sie auf falscher Beschuldigung beruht. Vor allem, wenn Ankara vorführen will, wie weit Erdogans Arm in die Rechtsstaaten Europas reicht. Die Antwort kann nicht in einem grundsätzlichen Interpol-Ausschluss der Türkei liegen. Auch wenn Ankara wahllos mit dem Terrorverdacht umgeht: Wir brauchen auch Warnungen vor IS-Terrorteams auf dem Weg nach Europa. Ein freiwilliger Verzicht Erdogans erscheint nach den jüngsten Eskalationen ebenfalls illusorisch. Bleibt nur die Reform von Interpol, der Einbau von Filtern vor der Weiterleitung von Festnahme-Ersuchen. Und so lange das nicht funktioniert, müssen die Nationalstaaten selbst analysieren, was hinter den Meldungen steckt und ein einheitliches Handeln in Europa organisieren. Gregor Mayntz (RP)

Innenminister wollen Missbrauch von Interpol künftig verhindern

Innenminister von CDU und SPD haben Schritte gegen den Missbrauch der Polizei-Organisation Interpol zu politischen Zwecken angekündigt. „Dass die Türkei Interpol missbrauch hat, um einen missliebigen Oppositionellen im europäischen Ausland verhaften zu lassen, ist besorgniserregend“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Am Wochenende war der Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli auf der Grundlage einer türkischen Festnahme-Ausschreibung in Madrid gefasst und unter Meldeauflagen wieder auf freien Fuß gesetzt worden. „Wir müssen jetzt gemeinsam mit allen Interpol-Behörden prüfen, wie so etwas künftig verhindert werden kann“, sagte Reul. Auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) plädierte für Änderungen. „Interpol ist kein Selbstbedienungsladen“, erklärte Pistorius. Interpol selbst und auch die Länder, die vermeintliche Straftäter ausliefern sollen, müssten künftig sehr genau hinsehen. Rheinische Post

Sanktionen gegen Erdogan-Clan

„Nach dem Missbrauch von Interpol durch die Türkei zur Ausschaltung von Kritikern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan braucht es ein klares Stoppsignal. Notwendig sind jetzt rasche und direkte Sanktionen gegen Erdogan und sein Umfeld. Dazu gehören Kontensperrungen und das Einfrieren von illegal ins Ausland geschafften Vermögen des Erdogan-Clans“, erklärt Sevim Dagdelen, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für Internationale Beziehungen. Dagdelen weiter:

„DIE LINKE lehnt Wirtschaftssanktionen ab. Diese treffen die gesamte Bevölkerung in der Türkei. Notwendig sind dagegen gezielte Strafmaßnahmen gegen die Spitzen des türkischen Staates. Die Bundesregierung muss sich zudem für den formalen Stopp der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara stark machen. Nur so können endlich auch die Hilfsgelder in Höhe von 630 Millionen Euro jährlich an Erdogan eingefroren werden. Sämtliche Waffenexporte in die Türkei sind umgehend zu stoppen. Die Bundeswehr darf nicht länger in Konya zur Unterstützung Erdogans verbleiben.

DIE LINKE verurteilt die Angriffe auf die Familie von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf das Schärfste. Terrorexport aus der Türkei und Einschüchterung von Andersdenkenden in Deutschland müssen von der Bundesregierung konsequent unterbunden werden. Die ‚Neuausrichtung‘ der deutschen Türkei-Politik braucht auch innenpolitisch Konsequenzen: Wir brauchen eine Null-Toleranz-Politik gegen das Erdogan-Netzwerk in Deutschland. Gegen Erdogan-Anhänger, die Andersdenkende in Deutschland bedrohen und verfolgen, muss mit der ganzen Härte des Rechtsstaats vorgegangen werden. Das Erdogan-Netzwerk in Deutschland muss zerschlagen und die Agenten Erdogans müssen ausgewiesen werden. Das betrifft auch Erdogan-Zuträger in deutschen Sicherheitsbehörden. Der von der türkischen Regierung gesteuerte Moscheeverband DITIB darf nicht länger hofiert und mit Steuervergünstigungen belohnt werden.“ Partei Die Linke im Bundestag

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