Nachtgedanken der Koalition

Der erste Gipfel mit Armin Laschet

Das politische Geschäft, so heißt es, bestehe zu wesentlichen Teilen aus der hohen Kunst der Symbolik. Ihr hatten sich die damals neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verpflichtet gefühlt und ihren Gesprächspartnern von der Union beim Koalitionsgipfel Ingwer-Tee überreicht – mit leichter Schärfe und angenehmer Süße, so die Symbolik.

Dieses Mal war der Chef Armin Laschet als neuer Mann in der Runde an der Reihe und überreichte den Gipfelteilnehmern ein Bändchen mit Heinrich-Heine-Gedichten. Die Symbolik von Gedichten des Düsseldorfers Heine liegt für einen Rheinländer wie Laschet eigentlich auf der Hand, möchte man meinen. Die enge Anlehnung des großen deutschen Dichters an den alten Klassenkämpfer Karl Marx, der immerhin dessen Gedichte an die Zeitschrift Vorwärts vermittelte, dürfte dem christdemokratischen Anführer kaum verborgen geblieben sein.

Eine Botschaft des Friedens also, die Laschet seinen sozialdemokratischen Partnern überreichte. Und so war der ganze Gipfel wohl auch. Konflikte waren nicht gefragt, die Einigung über Drohne, Verlustrückträge, Zuschuss zur Grundsicherung, Kinderbonus, weniger Mehrwertsteuer für Gastronomen und Hilfe für die Kultur ließ sich schnell herstellen. Alles war gut.

Beinahe. Denn die tatsächliche Zuspitzung im Blick auf die anstehenden Wahlen war da längst vollzogen. Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte sie zum Wochenstart mit einem Wutausbruch in Richtung EU-Kommission wegen der desaströsen Lage bei den Impfungen losgetreten. Seit einer Woche geht Scholz EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) immer schärfer an, macht sie verantwortlich für die Fehlleistungen bei den Impfstoff-Bestellungen. Nur die Kanzlerin verteidigt ihre Vertraute in Europa wohl noch. Allein auf weiter Flur. Auch beim Gipfel.

Die unzulängliche Einkaufspolitik nimmt über den Umweg Europa auch Gesundheitsminister Jens Spahn immer stärker in den Blick. So gibt es erste Befürchtungen in der Union, dass dem Verbündeten von Laschet im Bundeskabinett ein Untersuchungsausschuss drohen könnte.

Die Botschaft des Friedens also, die der Koalitionsgipfel ausstrahlen sollte, war allenfalls gut gemeint. Kerngesund ist das Land gerade nicht. Vielleicht plagen Laschet deshalb nicht erst seit dem Gipfel Nachtgedanken zu möglichen Aufgaben in Berlin, und er fühlt sich deshalb um den Schlaf gebracht. Das gäbe seinem Heine-Geschenk eine ganz andere Bedeutung.¹

ARD-DeutschlandTrend: Rückhalt für Regierung geht zurück

Nach wie vor überwiegt bei der Beurteilung der Bundesregierung das positive Urteil in der Bevölkerung. Mit 55 Prozent (-5 im Vgl. zu Anfang Januar) fällt die Zufriedenheit mit der Großen Koalition allerdings auf den niedrigsten Wert seit Ausbruch der Pandemie im letzten Jahr. Das hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend am Montag und Dienstag dieser Woche ergeben. Ein wohlwollendes Zeugnis stellen der Koalition die Anhänger von Union (83:16 Prozent) und SPD (70:29 Prozent), aber auch der Grünen (70:30 Prozent) aus. In den Reihen von Linken (43:57 Prozent), FDP (37:63 Prozent), vor allem aber der AfD (2:98 Prozent) überwiegt die Kritik.

Abgesehen von SPD-Außenminister Heiko Maas (48 Prozent Zustimmung für seine Arbeit; +3 Punkte im Vgl. zu Januar) verlieren alle abgefragten Regierungsspitzen im Bevölkerungsurteil. Dies trifft weniger Bundeskanzlerin Angela Merkel (69 Prozent; -3), wohl aber CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn (51 Prozent; -5) und stärker noch SPD-Finanzminister Olaf Scholz (46 Prozent; -9) und CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (43 Prozent; -12 zu November). Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken überzeugt aktuell 10 Prozent der Befragten (-5 Im Vgl. zu November; 50 Prozent der Befragten kennen sie nicht oder können sich kein Urteil bilden).

Die Berliner Oppositionsparteien verlieren ebenfalls an Zustimmung, allerdings weniger stark. Die Arbeit der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock bewerten aktuell 27 Prozent positiv (-2 zu Dezember); die Arbeit von FDP-Chef Christian Lindner 26 Prozent (-3 zu November). Linken-Chef Dietmar Bartsch erfährt derzeit einen Zuspruch von 18 Prozent (-1 zu November; 55 Prozent der Befragten kennen ihn nicht oder können sich kein Urteil bilden). Die Arbeit des AfD-Bundessprechers Jörg Meuthen bewerten aktuell 7 Prozent positiv (-1 im Vgl. zu Januar).

Armin Laschet kann sich demgegenüber nach seiner Wahl zum CDU-Parteivorsitzenden im ARD-DeutschlandTrend verbessern (+6). Seine Zufriedenheitswerte (37 Prozent) bleiben aber nach wie vor hinter denen des möglichen Mitbewerbers um die Unions-Kanzlerkandidatur zur Bundestagswahl, Markus Söder (54 Prozent; -3), zurück. Der bayerische Ministerpräsident überzeugt zudem unverändert mehr Unions-Anhänger (82 Prozent) als der NRW-Regierungschef (48 Prozent).

Bei einer Bundestagswahl zum jetzigen Zeitpunkt käme die CDU/CSU auf 34 Prozent, 1 Punkt weniger als vor einem Monat. Die SPD gewinnt einen Punkt und käme auf 15 Prozent. Die AfD hätte unverändert 10 Prozent in Aussicht. Die FDP liegt bei 8 Prozent – und legt damit um 1 Punkt zum Vormonat zu. Die Linke verliert einen Punkt und steht aktuell bei 6 Prozent. Die Grünen sind stabil bei 21 Prozent. Alle anderen Parteien würden zusammen 6 Prozent (+1) erzielen. Das hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend am Montag und Mittwoch dieser Woche ergeben.²

¹Thomas Seim – Neue Westfälische ²WDR Kommunikation

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