Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat eine Krise von solcher Dimension, wie sie die Welt derzeit mit der Corona-Pandemie erlebt, niemals für möglich gehalten. „Das lag außerhalb meiner Vorstellungskraft“, sagte er der „Heilbronner Stimme“. Mit Blick auf die Corona-Maßnahmen betonte er: „Der Lockdown ist verbunden mit einer relativ starken, aber rechtlich begründeten Einschränkung unserer allgemeinen Freiheitsrechte. Das muss die Ausnahme bleiben.“
Der 78-Jährige bedauert, dass echte Begegnungen kaum oder gar nicht möglich sein: „Unsere Enkelkinder können wir derzeit nicht sehen, das vermissen wir sehr. Auch Freunde können wir nicht treffen. Es geht uns wohl so wie derzeit vielen Millionen Deutschen. Gemeinsam Essengehen entfällt, auch bedauere ich, keine Konzerte oder Theater besuchen zu können. In der Politik vermisse ich den realen Kontakt zu den Menschen. “ Schäuble erklärt: „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der wir uns nur noch digital begegnen und austauschen. Es ist für mich der ultimative Alptraum, mit anderen Menschen nur noch digital kommunizieren zu dürfen.“
Zur Frage, ob Lockerungen für Geimpfte denkbar seien, sagte der CDU-Politiker: „Ich finde es ein bisschen früh, die Debatte über Ausnahmen für Geimpfte zu führen. Die Virus-Mutationen bereiten aktuell Sorgen und eine Virusübertragung durch Geimpfte kann noch nicht sicher ausgeschlossen werden.“
Nach Ansicht des Bundestagspräsidenten eröffnet die Corona-Krise trotz aller Widrigkeiten auch neue Möglichkeiten: „In der Bewältigung von Krisen liegen immer auch Chancen. Der Handlungsdruck hilft, Veränderungen zustande zu bringen, die man vorher nicht für möglich hielt.“ Als Beispiel nennt er den Bereich der Digitalisierung: „Es wird nach der Pandemie vieles völlig anders sein, als es vorher war. Das Virus zeigt deutlich, wo Raum für Innovationen ist.“ Es sei unbestritten, dass „Deutschland bei der Digitalisierung bis zum Ausbruch der Pandemie nicht an der Spitze des Fortschritts stand. Im vergangenen Jahr ist hier vieles schon besser geworden. Vor allem in den Schulen haben wir aber noch weiteren Aufholbedarf“.
Zur Impfstoff-Bereitstellung in Deutschland sagte Schäuble: „Berechtigte Kritik an der Bestellung oder Verteilung von Impfstoffen will ich nicht vom Tisch wischen, aber wir sollten Maß und Mitte halten. Selbst die Wissenschaft vermag doch schwer vorherzusagen, ob neue Mutationen eine neue Dynamik in die pandemische Lage bringen können. Fehler werden auch deshalb gemacht, weil unter einem hohen Entscheidungsdruck sehr schnell gehandelt werden muss. Unter dem Einfluss der öffentlichen Debatte fällt Zurückhaltung manchmal schwer.“Schäuble verteidigte den europäischen Weg: Diejenigen, die europäische Abstimmungsprozesse kritisierten, „sollten sich auch fragen, welche Folgewirkungen es gehabt hätte, wenn jeder für sich gehandelt hätte“.
Er sagte weiter: „Diese Krise darf nicht dazu führen, dass wir unseren Zusammenhalt aufgeben. Europa muss sich vielmehr als Solidargemeinschaft beweisen – so wie wir unsere Solidarität gerade auch mit dem Hilfseinsatz der Bundeswehr in Portugal zeigen.“
Schäuble moniert: „Ich habe manchmal den Eindruck, wir diskutieren nur noch darüber, wer mutmaßlich bei der Bestellung von Impfstoffen getrödelt hat. Dabei sind wir heute auf einem beachtlichen Stand, den die meisten doch vor wenigen Monaten niemals für möglich gehalten hätten.“ Er betonte mit Blick auf die Fortschritte in der Forschung auch: „Es ist gelungen, in einem Tempo, das noch vor Monaten ebenso unvorstellbar schien, Impfstoffe gegen ein gefährliches Virus zu entwickeln.“
Der Bundestagspräsident hält es für möglich, dass die Demokratie aus der Coronakrise „gestärkt hervorgehen“ kann: „Es ist eine gute Entwicklung, dass die Rolle von Bundestag, von Landesparlamenten bis zu Kommunalparlamenten aktuell eine besondere Würdigung erfährt. Die demokratische Legitimation von Entscheidungen durch gewählte Parlamentarier wird wieder stärker erwartet und geschätzt. Deshalb hoffe ich, dass diese Krise auch dazu führt, dass künftig noch mehr Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.“
Schäubles Wunsch lautet: „Ich hoffe, dass sich als Folge der Corona-Pandemie etwas Besonderes offenbart: Mehr Demut gegenüber der Schöpfung.“¹
Studie: Bundesbürger haben große Angst vor Corona-Ansteckung im Fahrstuhl / Lüftung in Aufzügen laut Wissenschaftlern mangelhaft
84 Prozent der Deutschen haben Angst, sich bei der Fahrt im Aufzug mit dem Corona-Virus anzustecken. Sie halten die Infektionsgefahr in den engen, schlecht belüfteten Kabinen für hoch. Rund 40 Prozent fahren deshalb nur noch allein, jeder Vierte steigt gar nicht mehr in den Fahrstuhl, wie eine aktuelle bevölkerungsrepräsentative Befragung von HUNDT CONSULT unter 1.000 Bundesbürgern zeigt. Die Ängste der Deutschen sind berechtigt, denn die Lüftung ist in den meisten Aufzügen absolut unzureichend, wie Forscher der Universität Amsterdam jetzt festgestellt haben.
Milliarden von Viren werden beim Sprechen, Husten oder Niesen in der Kabine durch kleine Schwebetröpfchen freigesetzt. „Wird ein Aufzug nach dem Husten nicht genutzt und steht mit geschlossenen Türen auf einer Etage, halten sich die Tröpfchen 30 Minuten in der Luft“, hat Professor Daniel Bonn von der Universität Amsterdam nachgewiesen. Sein Fazit: „Die Lüftung funktioniert in den meisten Aufzügen eher mangelhaft. Bisher unternehmen die Betreiber zu wenig, um die Aerosole in der Fahrstuhlkabine zu verringern.“
Ziel müsse es sein, die Belastung mit den Schwebetröpfchen so schnell wie möglich um 80 Prozent zu reduzieren. „Denn erst dann kann die Luft in der Kabine wieder bedenkenlos eingeatmet werden“, so Bonn. Herkömmliche Lüftungen benötigen dafür viel zu lange. Sehr viel schneller geht es dagegen mit dem Einsatz von Plasmatechnologie. „Diese Technologie wird seit Jahren in OP-Sälen und Arztpraxen eingesetzt. Sie kann mittlerweile über 30 Wirksamkeitsstudien vorweisen“, weiß Alexander Wüllner von HUNDT CONSULT. Die Aufzug-Experten bieten mit dem ELEVATAIR inzwischen einen solchen Plasma-Lüfter für Aufzugskabinen an. Bereits nach wenigen Sekunden nimmt die Aerosolbelastung deutlich ab; innerhalb von knapp vier Minuten sind 80 Prozent der Fahrstuhlluft desinfiziert und sie bleibt auf diesem nicht-infektiösen Niveau.
Für Wüllner ist es unverständlich, dass sich bisher so wenige Aufzugsbetreiber ernsthaft darum gekümmert haben, die Belastung mit Viren und Keimen zu verringern. „Dabei sind sie gesetzlich dazu verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Fahrt mit dem Lift gefahrenfrei zu ermöglichen. „Und nicht erst jetzt, sondern schon vor der Corona-Pandemie hätte das Thema Hygiene bei den Betreibern auf der Agenda stehen müssen.“
Jeder dritte Bundesbürger fordert, zumindest in der aktuellen Situation die Aufzüge möglichst für den Betrieb zu sperren. Zwei Drittel wünschen sich ergänzend gesetzliche Regelungen mit dem Ziel, die Gefahr von Krankheitsübertragungen durch Viren und Bakterien in der Kabine zu verringern. Schließlich sind Menschen mit körperlichen Einschränkungen auf die Fahrt mit dem Aufzug angewiesen.²
¹Heilbronner Stimme ²HUNDT CONSULT GmbH