Kanzlerschaft und Parteivorsitz wollte Angela Merkel immer in einer Hand haben. Ihr war die Machtfülle wichtig, um Ruhe in der eigenen Partei zu haben. Vor nunmehr fast einem Jahr gab sie den Parteivorsitz an Annegret Kramp-Karrenbauer ab. Es sollte ein Abgang auf Raten sein, der – wie sich jetzt zeigt – einen geordneten Übergang nicht möglich macht. Kramp-Karrenbauer kann das Machtvakuum nicht füllen. Leidenschaftlich streitet die CDU derzeit über den weiteren Kurs bis zur Bundestagswahl. Längst ist nicht mehr ausgemacht, dass der Parteivorsitz automatisch auch die Kanzlerkandidatur bedeutet. Die Zeiten ändern sich – auch in der CDU.
Ausgerechnet Friedrich Merz, der unterlegene Kandidat im Kampf um den Parteivorsitz, wirft der Kanzlerin nun Untätigkeit und mangelnde Führung vor, die sich »wie ein Nebelteppich« über das Land gelegt habe. Auch inhaltlich streitet die CDU um die künftige Ausrichtung – darin steht sie den Sozialdemokraten kaum nach. Eindringlich forderte Vizefraktionschef Carsten Linnemann klare Positionierungen. Am Tag zwei nach der Thüringen-Wahl dürfte er auch an Mike Mohring gedacht haben, der am Montag so klang, als wolle er tatsächlich auf Ramelows LINKE zugehen, was ein Tabubruch wäre und sogleich für einen Aufschrei sorgte.
Mittlerweile ist Mohring zurückgerudert. Profitiert hat davon aber die LINKE, die in Erfurt offensichtlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, ohne ihre Ziele über Bord zu werfen.¹
Nur Stunden nach der CDU-Wahlschlappe in Thüringen hielt es der Sauerländer Friedrich Merz nicht mehr aus. „So darf es nicht weitergehen“, ließ er wie Donald Trump per Twitter wissen. Die Arbeit der Bundesregierung sei „grottenschlecht“. Ziel seiner Attacke war nicht allein CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, sondern besonders auch die Kanzlerin. Man erinnere sich: Als AKK im Dezember 2018 den Parteivorsitz von Angela Merkel übernahm, da versprach der knapp unterlegene Friedrich Merz noch Solidarität mit der neuen Chefin, und auch Merkel lobte er in höchsten Tönen.
Schon damals zweifelten nicht wenige an den warmen Worten des mit allen Wassern gewaschenen Konservativen aus Brilon. Gleich nach der Europawahl im Mai griff er Merkels Klimapolitik an. Tatsächlich ist der Unmut in der Partei groß. Merz weiß nicht nur CDU-Mittelständler und Junge Union hinter sich, die Werte-Union sowieso. Sie alle eint die grundsätzliche Kritik am offenen Kurs von CDU und Kanzlerin. Aktuell geht es um den Umgang mit den Linken, aber auch um den mit der AfD. Dennoch ist noch lange nicht ausgemacht, dass Merz‘ Brachialangriff über die sozialen Medien und Bild-Zeitung wirklich gut bei allen Christdemokraten ankommt.
Wer als Parteifreund die Kanzlerin öffentlich beschimpft, der muss konsequent sein und sagen, dass er es besser machen will. Will heißen: Merz muss auf dem CDU-Parteitag im November noch einmal seinen Hut in den Ring werfen. Dann gilt’s: Gewinnt er, hat die CDU einen neuen Kanzlerkandidaten und die GroKo wohl ein Ende. Verliert Merz allerdings erneut, dann ist er zunächst einmal kaltgestellt. Freuen dürfte das gewiss NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der schon seit Monaten von der Kanzlerkandidatur träumt.
Offene Merkel-Kritik ist seine Sache nicht, gleichwohl zweifelte er öffentlich an den Fähigkeiten von AKK, aber ohne Schaum vor dem Mund. Wo Merz den Hammer rausholt, nimmt Laschet das leichte Florett. Thüringen hat der CDU gezeigt, dass sie die Führungsfrage nicht mehr lange vertagen kann. Und damit steht die CDU nicht anders da als die SPD.²
¹neues deutschland ²Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Ich mag den Kerl!