Nun haben 40 größtenteils ranghohe türkische Nato-Soldaten in Deutschland Asyl beantragt. Die türkische Regierung warnt Deutschland davor, diese Soldaten aufzunehmen. Was sind die Gründe für Merkels Besuch? Wie könnte eine Annäherung gelingen? phoenix-Kommunikation
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, mit ihrem Besuch an diesem Donnerstag in Ankara den „islamistischen Autokraten Erdogan“ zu hofieren. „Es ist ein politisches Armutszeugnis, dass Angela Merkel dem Despoten Erdogan erneut vor einer wichtigen Entscheidung im Land den Rücken stärkt“, sagte Wagenknecht der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. „Viele Menschen in Deutschland sorgen sich angesichts der Gefahren durch einen radikalisierten politischen Islam, aber die Bundeskanzlerin hofiert einen islamistischen Autokraten, von dem allgemein bekannt ist, dass er radikale Islamisten und gefährliche Terrormilizen weltweit unterstützt und finanziert“, sagte Wagenknecht. Sie rief Merkel dazu auf, deutlich zu machen, dass sie Erdogans Kurs hin zu einer islamistischen Diktatur nicht unterstütze. „Das bedeutet als Sofortmaßnahme den Stopp deutscher Waffenlieferungen an die Türkei sowie den Abzug der Tornados, deren Daten von Erdogan im Krieg gegen die Kurden benutzt werden können“, sagte Wagenknecht. Ebenso dringend sei es, das Erdogan-Netzwerk in Deutschland zu zerschlagen. „Es kann nicht sein, dass der türkische Despot direkten Einfluss auf den Inhalt von Predigten in deutschen Moscheen hat“, so die Linken-Politikerin. Rheinische Post
Klartext bei Erdogan
Es ist nicht jeden Tag lustig, Bundeskanzlerin zu sein. Heute zum Beispiel möchte man nicht in Angela Merkels Haut stecken, wenn sie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ihre Aufwartung macht. Der hat sein Land seit dem gescheiterten Putschversuch im Sommer in atemberaubendem Tempo zu einer Autokratie umgebaut. Jetzt steht er kurz vor seinem großen Ziel, die zusammengeraffte Macht durch eine Verfassungsänderung legalisieren zu lassen. Im April steht dazu eine Volksabstimmung an. Merkels Besuch, ob sie das will oder nicht, wird von Erdogan als Signal ihrer Unterstützung für seine Politik ausgeschlachtet werden. Es sei denn, die Bundeskanzlerin spricht öffentlich und in aller Schärfe die Probleme an: die Gleichschaltung von Medien und Justiz durch Erdogan, sein Rachefeldzug gegen Andersdenkende, die Missachtung von Menschenrechten. Vor allem aber auch die skandalösen Spitzel-Aufrufe an Ditib-Imame in Deutschland. Offene Worte sind gefragt – trotz der türkischen Drohung, den Flüchtlingspakt zu kündigen. Wir haben uns lange genug erpressen lassen. Matthias Beermann – Rheinische Post
Kurdenpolitiker beklagt „totale Repression“ in der Türkei
Der türkische Kurdenpolitiker Mithat Sancar hat eine „Atmosphäre der Angst und totalen Repression“ in der Türkei beklagt. „Das ganze Land lebt in Unsicherheit“, sagte Sancar, der für die pro-kurdische Partei HDP im Parlament sitzt, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Willkürliche Verhaftungen nach dem vereitelten Putschversuch im Sommer letzten Jahres und die dadurch große Unsicherheit, wen es als Nächsten treffe, bestimmten die Lage im Land. Auch die Regierung und Präsident Erdogan hätten eine „panische“ Angst, „dass ihnen die Macht entgleitet“. Gegen Mithat, einen international bekannten Verfassungsrechtler der Universität Ankara, wurden drei Prozesse angestrengt. Wie seine Parlamentskollegen von der pro-kurdischen HDP wurde auch seine Immunität aufgehoben. „Die Haftdrohung wird ständig aktuell gehalten. Ihr Ziel ist es, unsere Partei, die HDP, lahmzulegen.“ Der Politiker warnte, die von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsänderung zur Vereinigung der Gewalten in einer Person könnte sich schnell zu einer modernen Diktatur entwickeln. Er hoffe aber darauf, dass die Bevölkerung Erdogan stoppe. „Bei dem Referendum wird die Mehrheit ,Nein‘ sagen und diese fatale Fahrt beenden.“
SPD: Merkel soll in Türkei über Ditib sprechen – Mützenich: Innertürkische Konflikte dürfen nicht nach Deutschland getragen werden
Die SPD-Bundestagsfraktion hat Bundeskanzlerin Angel Merkel (CDU) aufgefordert, bei ihrem Türkei-Besuch auch die Spitzel-Vorwürfe gegen Imame der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) anzusprechen. „Sie muss klarstellen, dass wir nicht dulden können, dass über den muslimischen Dachverband Ditib innertürkische Konflikte nach Deutschland getragen werden“, sagte der stellvertretende Fraktionschef Rolf Mützenich. Mehrere Imame hatten Listen mit vermeintlichen Anhängern der Gülen-Bewegung in Deutschland verfasst und deren Namen an die türkische Religionsbehörde Diyanet nach Ankara gemeldet, zu den Opfern gehören unter anderem fünf Lehrer an allgemeinbildenden Schulen aus NRW.
Zudem solle Merkel sich die Einmischung der türkischen Regierung in die Asylgesuche türkischer Soldaten verbitten. Die Kanzlerin müsse „deutlich machen, dass bei uns die Gewährung von politischem Asyl im Einzelfall geprüft wird und über die Asylanträge von türkischen Nato-Soldaten nicht die türkische Regierung, sondern die deutschen Behörden entscheiden“. Zuvor hatte die Türkei verlangt, dass die Anträge abgelehnt werden sollten. Kölner Stadt-Anzeiger