Möglich, dass der Vorwurf eines Staatsmordes sich nach juristischen Kriterien nicht beweisen lässt. Wäre dann wieder alles gut? Wer Russland immer schon als unschuldiges Opfer sieht, mag das glauben. Aber Moskau hat bei der Aufklärung nicht kooperiert, Putin hat das Opfer noch verhöhnt. So benimmt sich eine Regierung, die keine Konsequenzen fürchtet, nicht eine, die einen schlimmen Verdacht entkräften will. Bislang hat die Bundesregierung den Fall niedrig gehängt. Auch als die Kanzlerin Russland jüngst des Hacks auf den Bundestag beschuldigte folgte – nichts. Dabei sollte es jetzt nicht bleiben.
Starke Indizien gegen Russland
Sollte sich der Verdacht eines Attentats im Staatsauftrag – egal, ob aus Moskau oder vom starken Mann Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow – erhärten, kann es nicht bei zwei ausgewiesenen Diplomaten bleiben. Dann müsste wie nach dem Giftanschlag auf Sergej Skripal in Großbritannien die gesamte EU ein energisches Signal setzen. Was Auftragsmorde in Europa angeht, wäre der russische Staat Wiederholungstäter. Deutschland, wo oft zu Recht die Notwendigkeit des Dialogs betont wird, sollte dann keine falschen Rücksichten nehmen. Von Sanktionen bis zum Stopp des Pipelineprojekts Nord Stream 2 gibt es starke Instrumente, Putin klarzumachen: Deutschland ist keine Spielwiese für brutale Vergeltungsaktionen.¹
Die Aufklärung des Verbrechens im Berliner Tiergarten vom 23. August vergangenen Jahres nähert sich mit rechtsstaatlicher Gründlichkeit dem dahinter stehenden Skandal. Im Dezember übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen, weil sich eine Verantwortung Moskaus immer deutlicher abzeichnete. Nun ist die oberste deutsche Anklagebehörde davon überzeugt, dass der Georgier Tornike K. in aller Öffentlichkeit einem Auftragsmord zum Opfer gefallen ist.
Dazu hat Moskau offenkundig selbst beigetragen. Da ist die stark eingeschränkte Bereitschaft, in diesem Fall mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten. Deswegen wurden bereits zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Da ist auch der vollmundige Auftritt von Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit Angela Merkel in Paris. Obwohl seine Regierungsstellen offiziell stets versicherten, mit dem Verbrechen nichts zu tun zu haben, stellte Putin von sich aus fest, in Berlin sei ein „Krieger“, ein „blutrünstiger und brutaler Mensch“ getötet worden. Und er schilderte, für welche Anschläge der Kreml den Georgier verantwortlich macht. „Da kann alles Mögliche passieren“, deutete Putin mit Verweis auf das „verbrecherische Umfeld“ des Getöteten an. Auch das Spiel russischer Stellen mit der Identität des in Berlin verhafteten Mordverdächtigen, der mal gesucht, mal unbestraft freigelassen wurde, trug zu den Spekulationen über eine Tat im Staatsauftrag bei.
Es wird nun auf das Berliner Kammergericht ankommen, was sich von der Anklage erhärten lässt. Bestätigt sich, dass Moskau den Mord auf den Weg brachte, muss die Politik weitere Konsequenzen ziehen. Da mehrere Länder von den schmutzigen Aktivitäten der russischen Dienste betroffen sind, empfiehlt sich eine deutliche Antwort im europäischen Rahmen.²
Russlands Verhalten macht argwöhnisch
Die diplomatische Krise zwischen Deutschland und Russland nach dem mutmaßlichen Auftragsmord in Berlin verschärft sich. Deutsche Ermittler verfolgen den Anfangsverdacht, dass staatlichen Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien dahinter stecken.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, hat Russland daher aufgefordert, bei den Ermittlungen zu helfen. Im Inforadio vom rbb sagte er am Donnerstag: „Russland könnte einen solchen Vorwurf ausräumen durch Kooperationsbereitschaft, durch das Offenlegen von Fakten. Dass Russland das nicht tut, macht uns argwöhnisch.“
Hardt sagte, die Methoden erinnerten ihn an düstere Agententhriller: „Russland bekennt sich formal zu den Kriterien des Völkerrechts. Wir mahnen an, dass sie sich auch daran halten. Dazu gehört eben auch für den Fall, dass solch ein Ereignis eintritt, man sich wechselseitig Rechtshilfe gibt und bei der Aufklärung hilft. Deutschland ist dazu in vielen Fällen gegenüber Russland bereit. Diese Praxis finde ich gut. Sie hilft zum Beispiel gemeinsam Terrorismus zu bekämpfen, aber das setzt natürlich voraus, dass Russland das auch tut“.
Der CDU-Politiker sagte weiter, er sei zuversichtlich, dass die deutschen Behörden eine gute Ermittlungsarbeit leisten und in den nächsten Tagen weiteres Licht in diesen Fall bringen werden.³
¹Dietmar Ostermann – Badische Zeitung ²Rheinische Post ³Rundfunk Berlin-Brandenburg
Eine Antwort auf "Vorwürfe gegen Russland: Leisetreterei hilft nicht"