US-Präsidentschaftswahl weiter offen

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Nüchtern betrachtet hängt nun alles am Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November. Mit „alles“ gemeint ist nicht bloß der Abzug der militärischen Kommandozentralen und einem Drittel der 36 000 in Deutschland stationierten Soldaten. Sondern deren Verbleib in Europa als strategisches Gegengewicht zur aggressiven Expansionspolitik Russlands insgesamt.
Für die betroffenen Regionen geht es um Milliarden an Euro, die an Zivilisten und Unternehmen fließen, die an den Militärstützpunkten der Amerikaner verdienen. Und rund 12 000 Jobs, die an den Standorten hängen. Aber auch um persönliche Beziehungen und Verbindungen, die über sieben Jahrzehnte aufgebaut worden sind.

Schließlich steht die Zukunft der Nato selbst auf dem Spiel, deren Konzept der „Amerika-First“-Präsident noch nie verstanden hat. Das Bündnis ist keine Ansammlung von Vasallen, die einer Schutzmacht Tribut bezahlen, sondern ein multilaterales Bündnis souveräner Staaten, die gemeinsame Werte teilen. Und ihr Schicksal miteinander verknüpft haben.
Dass Trump in der vergangenen Wochen mit seinem Freund Wladimir Putin siebenmal telefonierte, während er es nicht für nötig hielt, nur ein einziges Mal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Umstrukturierung der Streitkräfte in Europa zu sprechen, zeigt, in welche Richtung sich die Dinge bewegen.

Das unterstreicht auch die Nominierung Douglas Macgregors zum neuen US-Botschafter in Deutschland. Der pensionierte Army-Oberst ist ein Überzeugungstäter, der seit langem für einen Abzug der US-Streitkräfte aus Asien und Europa wirbt. Die im Pentagon vorgestellten Pläne entsprechen der Blaupause, die der umstrittene Offizier schon vor Jahren für den Rückzug der Supermacht aus Europa und Asien vorgelegt hat. Im Unterschied zu anderen Offizieren, die in verschiedenen Rollen versuchten, den Präsidenten vor seinen schlimmsten Instinkten zu schützen, ist Macgregor Ideengeber und Vollstrecker in einem. Schwarz auf weiß hat er in einem Artikel für das rechte Online-Magazin „The National Interest“ 2019 dafür geworben, „das Nato-Zombie ableben zu lassen“.
Er teilt übrigens auch die Idee, amerikanische Truppen aus Südkorea abzuziehen. Wie das Wall Street Journal berichtet, erteilte der Präsident dem Pentagon bereits den Auftrag, Pläne für einen Teilrückzug der 28 500 Soldaten dort zu prüfen. Auch in diesem Fall klagt Trump über zu geringe Tribut-Zahlungen der Verbündeten.

Während in Europa Putin von der „Rückzugs-Doktrin“ Trumps profitiert, dürfen sich in Asien der „kleine Raketenmann“ Kim Jong-Un und der chinesische Machthaber Xi Jingpin die Hände reiben. In ihren heißesten Fieberfantasien hätten sie nicht erträumen können, was Trump ihnen freiwillig liefert: Die Selbstverzwergung einer Supermacht.
Niemand versteht die Konsequenzen dieser Politik besser als die Führung der US-Streitkräfte. Sie wissen, dass die NATO essenziell für die Sicherheit Amerikas ist. Es grenzt deshalb an Selbstsabotage, ohne Not die militärischen Hauptquartiere für das Kommando in Europa und Afrika zu verlegen oder den Standort des größten Truppenübungsplatzes des Kontinents zu schwächen. Auch im Kongress gibt es bei Republikanern und Demokraten genügend Politiker, die nicht wie Trump glauben, die USA seien „arme Schlucker“, wenn sie ihre Sicherheitsinteressen wahren.

Genau deshalb versuchen viele Beteiligte gute Miene zum bösen Spiel zu machen; inklusive Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Insgeheim setzen sie darauf, dass die Tage des „Amerika-First“-Präsidenten gezählt sind. Bei seiner Abwahl im November bliebe genügend Zeit, diesen strategischen Irrsinn zu stoppen.¹

Nach Einschätzung des CDU-Außenexperten Jürgen Hardt sollte man US-Präsident Donald Trump bei der Wahl im November trotz schlechter Popularitätswerte noch nicht politisch abschreiben. „Vor vier Jahren um diese Zeit haben uns die gleichen Experten in Amerika gesagt, dass Trump gegen Hillary Clinton keine Chance habe. Deshalb sollte man bei solchen Prognosen sehr vorsichtig sein“, sagte Hardt der „Saarbrücker Zeitung“.

Wahlen in den USA würden zuallererst durch die Mobilisierung der jeweils eigenen Anhänger gewonnen. „Das war das Problem von Hillary Clinton vor vier Jahren. Viele potenzielle Wähler der Demokraten sind damals einfach zuhause geblieben“, erläuterte der CDU-Politiker. Sollte das auch beim demokratischen Trump-Herausforderer Joe Biden so sein, „könnte es eng werden“. Obendrein dürfe man die noch ausstehenden TV-Duelle zwischen Trump und Biden nicht unterschätzen, „falls einer von beiden überraschend schwach abschneidet oder sich gar blamiert“, so Hardt.²

¹Thomas Spang – Mittelbayerische Zeitung ²Saarbrücker Zeitung

DasParlament

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