Einen Monat nach der Thomas-Cook-Pleite spitzt sich der Streit um die Entschädigung der Kunden zu. In einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ kündigte die Vorsitzende des Verbandes unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR), Marija Linnhoff, an, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu gehen, um Berlin in die Staatshaftung zu klagen. „Kein Deutscher soll auf dem Schaden der mangelnden Versicherung sitzen bleiben“, sagte sie. Schaden müsse zudem auch vom Modell Pauschalreise, die immer auch für Sicherheit stehe, abgewendet werden. „Vor allem für den touristischen Mittelstand, für den sie ein wichtiges Geschäftsmodell ist, wäre das eine Katastrophe“, warnte Linnhoff.
Der Bundesregierung wirft Linnhoff „Fahrlässigkeit“ bei der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht vor, weil sie eine Deckelung der Haftungssumme auf 110 Millionen Euro zugelassen habe. Dieser Insolvenzschutz für Thomas-Cook-Reisen reicht nach Angaben der Zurich Versicherungsgesellschaft bei Weitem nicht aus, um die Kunden vollständig zu entschädigen. Linnhoff beklagte, dass Ermahnungen des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes (vzbv) und des VUSR, die zu niedrige Haftungssumme zu erhöhen, in Berlin ignoriert worden seien.
Der Verbraucherzentralen-Bundesverband (vzbv) sieht unterdessen vorrangig die Zurich-Versicherung in der Pflicht, die Schäden der Verbraucher auszugleichen. „Die Pauschalreiserichtlinie sieht ausdrücklich vor, dass der Versicherungsschutz für Pauschalreiseanbieter wirksam sein und die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbaren Kosten abdecken muss“, betonte der für Mobilität und Reisen zuständige vzbv-Referent Felix Methmann gegenüber der NOZ. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. „Aus Sicht des vzbv ist die Haftungsbegrenzung im Verhältnis zwischen Reisenden und der Zurich-Versicherung daher unwirksam.“ Staatshaftungsansprüche hält Methmann für nachrangig. „Da der deutsche Gesetzgeber die EU-Pauschalreiserichtlinie nicht richtig umgesetzt hat, sind sie aber auch nicht auszuschließen“, sagte er.¹
Thomas Cook-Insolvenz: EP fordert besseren Schutz für Kunden und Arbeitnehmer
Die Europaabgeordneten fordern die EU-Staaten auf, bestehende EU-Instrumente in vollem Umfang zu nutzen, um die Auswirkungen der Thomas Cook-Insolvenz zu mildern.
In einer angenommenen Entschließung äußern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ihre Besorgnis über die Folgen der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook: der Verlust tausender Arbeitsplätze, Schwierigkeiten für kleine und mittlere Unternehmen, Schäden für den Tourismussektor und rund 600.000 gestrandeten Reisende.
Die Regierungen der EU-Staaten sollten den Europäischen Sozialfonds und den Fonds für die Anpassung an die Globalisierung nutzen, um entlassenen Arbeitnehmern und Unternehmen zu helfen, die durch den Zusammenbruch Thomas Cooks geschädigt wurden. Außerdem sollte die Kommission EU-Instrumente prüfen, die den Schaden für den Tourismussektor ausgleichen könnten, so die Abgeordneten.
Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten außerdem sicherstellen, dass den von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmern ihre erworbenen Löhne und Rentenleistungen garantiert werden.
Besser auf zukünftige Krisen reagieren
Die Abgeordneten weisen darauf hin, dass 32 Fluggesellschaften seit 2017 in Konkurs gegangen sind. Sie bitten die Kommission zu prüfen, ob neue Maßnahmen erforderlich sind, um solche Situationen zu verhindern.
Die Gründe, die zur Insolvenz von Thomas Cook geführt haben, sollten untersucht werden, sagen die Abgeordneten. Sie weisen darauf hin, dass die britische Regierung bereits über die finanzielle Situation des Konzerns informiert gewesen war und dass die Regeln geändert werden könnten, um die finanzielle Situation von Fluggesellschaften besser zu überwachen.
Als letztes Mittel könnten staatliche Beihilfen in Betracht gezogen werden, um die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen abzumildern.
Besserer Schutz für Kunden und Arbeitnehmer
Um den Verbraucherschutz im Fall einer Insolvenz zu verbessern, sollten Garantiefonds oder Versicherungsverträge von Fluggesellschaften in die EU-Bestimmungen über Fluggastrechte aufgenommen werden. Diese werden derzeit überarbeitet, eine Einigung der EU-Mitgliedstaaten auf ihren gemeinsamen Standpunkt steht noch aus.
Die Abgeordneten fordern die Kommission auch auf, einen Vorschlag über das Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung vorzulegen, sowie über Antizipation und Management von Umstrukturierungen im Einklang mit der im Januar 2013 angenommenen Entschließung des Parlaments.
Eine EU-Tourismusstrategie
Schließlich betonen die Abgeordneten, dass der Tourismussektor, der durch den Zusammenbruch von Thomas Cook schwer geschädigt wurde, mehr als 10 Prozent des gesamten BIP der EU erwirtschaftet und ein Impulsgeber für andere Sektoren ist.
Der Sektor sollte daher in die Prioritäten der Kommission aufgenommen werden und im nächsten EU-Haushalt eine Haushaltslinie enthalten.²
¹Neue Osnabrücker Zeitung ²Europäische Union