Die Bluttat von Straßburg zeigt die Grenzen der Gefahrenabwehr. Auch noch so starke Betonpoller können einen Weihnachtsmarkt nicht vor Terror schützen. Sogar schussbereite Sicherheitskräfte halten einen radikalisierten Täter nicht davon ab, das Feuer auf Weihnachtsmarktbesucher zu eröffnen. Der Anschlag zeigt aber auch auf, dass Politik und Behörden noch so einiges nachzuschärfen haben. Wie beim mutmaßlichen Haupttäter der Massenvergewaltigung in Freiburg hatten die Behörden den 29 Jahre alten Franzosen von Straßburg nicht nur allgemein auf dem Schirm, sondern sollten ihn in Haft nehmen.
Offensichtlich braucht es mehr Konsequenz, einen als gefährlich für die Allgemeinheit eingestuften Beschuldigten auch zügig in Haft zu nehmen. Zudem sind die grenzüberschreitenden Abläufe im Detail aufzuklären. Möglicherweise greift es immer noch viel zu kurz, dass die deutschen Behörden zur effizienten Terrorabwehr auf einen täglichen bundesweiten Austausch Dutzender Behörden setzen. Wenn einer mit Gefährdungspotenzial für Frankreich, Deutschland, die Schweiz und Luxemburg in einem der Länder zum Terroristen wird, dann muss das zu neuem Nachdenken über die europäische Architektur der Terrorabwehr führen.¹
Die erste Schlussfolgerung lautet:Die Terrorgefahr lässt sich zwar begrenzen, aber sie lässt sich nicht völlig ausschalten. Dass jemand kommt und einfach um sich schießt, können Beton und Stahl nicht verhindern. Umso mehr gilt es, einsame Wölfe wie Anis Amri und Chérif C. ins Visier zu nehmen, desintegrierte Menschen also, denen – aus eigener Sicht! – kein anderer Weg gangbar erscheint, als das individuelle Scheitern im Sinne einer islamistischen Botschaft zu verklären. Die zweite Schlussfolgerung lautet, den grenzüberschreitenden Anti-Terror-Kampf zu intensivieren. Die Fälle Berlin und Straßburg demonstrieren die europäische Dimension des Terrors deutlicher denn je. Alles spricht dafür, dem auch europäisch zu begegnen.²
Anschlag in Straßburg – Gemeinsam zu mehr Sicherheit
Auf dem Tisch liegt der Vorschlag, Europol zu einer Art europäischem Bundeskriminalamt umzubauen und nach dem Vorbild des deutschen Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums ein europäisches Pendant zu schaffen, wo die Informationen aller Sicherheitsbehörden zusammenlaufen und ausgewertet werden. Aber wer erlebt hat, wie widerwillig die Bundesländer einen Teil ihrer Zuständigkeiten an den Bund abgegeben haben, der ahnt, wie groß erst der Widerstand der nationalen Regierungen in der Europäischen Union sein wird. Und doch ist im Schengen-Raum mit seinen offenen Grenzen eine Übertragung nationaler Kompetenzen an europäische Behörden unumgänglich. In einer freiheitlichen Gesellschaft, die sich trotz aller Bedrohungen ihre Freiheiten von niemanden nehmen lassen will, garantiert nur ein Mehr an Zusammenarbeit auch ein Mehr an Sicherheit.³
¹Gregor Mayntz – Rheinische Post ²Frankfurter Rundschau ³Straubinger Tagblatt
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