Und zum anderen dieses bange Gefühl vieler Franzosen, vor einem Sprung ins Ungewisse zu stehen. Nach einem Wahlkampf wie in der Achterbahn scheint diesmal fast alles möglich in Frankreich, selbst eine Stichwahl zwischen der Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen vom Front National und dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Einer der beiden im Elysée-Palast – das wäre vermutlich der Anfang vom Ende der EU. Dies ist nicht die wahrscheinlichste Variante, aber auch ein Wahlsieg des Konservativen François Fillon oder des Linksliberalen Emmanuel Macron wären noch kein Grund zur Entwarnung. Gegen Fillon wird wegen Veruntreuung ermittelt, und Macron wirkt noch zu unerfahren, um das Land in diesen Zeiten zu führen. Selten fiel eine Wahl so schwer. Man kann den Franzosen nur eines wünschen: Bon courage! Matthias Beermann – Rheinische Post
Terror als schlechter Ratgeber
Dass ein weiterer islamistisch motivierter Terroranschlag in Frankreich nur gut einen Tag vor der Präsidentschaftswahl Auswirkungen auf ebendiese haben dürfte, liegt wohl auf der Hand. Die naheliegende Frage mag pietätlos klingen, sie stellt sich aber dennoch: Welche Seite könnte von der schrecklichen Attacke politisch profitieren?
Es ist naheliegend, diese Frage mit „Marine Le Pen“ zu beantworten. Die populistische Rechtsaußen-Politikerin wettert gegen Einwanderung ebenso wie gegen die EU und spricht sich für eine generell harte Linie in der Außenpolitik aus. Aber auch alle anderen Bewerber für das Präsidentenamt haben den Kampf gegen den Terror schon vor der blutigen Attacke auf den Champs-Elysées zu einem Kernthema erklärt — wenngleich mit weniger martialischen Sprüchen als die Front-National-Chefin.
Die morgige Wahl wird zeigen, ob die Wählerinnen und Wähler den vergleichsweise extremen Aussagen von Marine Le Pen Glauben schenken oder doch den vernünftiger anmutenden und damit realpolitisch eher umsetzbaren Ansagen der Mitbewerber. Tatsache ist, dass in den letzten Umfragen vor und nach dem Anschlag die vier aussichtsreichsten Kandidaten sehr knapp beisammen lagen. Sollten sich die Franzosen im Schock nach dem neuerlichen Anschlag doch weiter nach rechts lehnen, dann wäre dies wohl der Terrorangst geschuldet. Angst jedoch ist selten ein guter Ratgeber. Christian Hubner – Neues Volksblatt, Chefredaktion
Der Terroranschlag trifft Frankreich in der heikelsten Phase des Wahlkampfs. Die Champs Elysées sind die Pracht- und Paradestrecke für alle großen politischen Ereignisse. Die Schüsse auf Polizisten an diesem Ort führen vor Augen, wie verletzlich das Land ist. Der Schock ist groß. Wie groß, lässt sich daran ablesen, dass die aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten die Wahlkampftermine am Freitag abgesagt haben. Dass die Attacke den Ausgang der Wahl beeinflusst, ist möglich. Zuletzt spielte das Thema innere Sicherheit im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle. Für Marine Le Pen ist der Anschlag aber jetzt eine Vorlage. In schrillsten Tönen äußerte sich die Rechtspopulistin. Ruhig, aber in der Sache äußerst martialisch, gab sich der Kandidat der Konservativen, François Fillon. Le Pen und Fillon, der aufgrund seiner Korruptionsaffäre in den Umfragen eigentlich zurückgefallen war, sind die beiden Kandidaten, die nun an Stimmen zulegen könnten.
Der junge Emmanuel Macron präsentierte sich hingegen als Kandidat der Mitte. Als einziger entwirft er ein optimistisches Bild und macht Mut. Ob sich die unentschiedenen Wahlberechtigten – rund 30 Prozent sind es laut aktuellen Umfragen – nun aber für ihn entscheiden, ist ungewiss. Wahr bleibt andererseits, was sich in diesem Wahlkampf mehrmals gezeigt hat: Es kommt dann doch alles anders. Vielleicht entscheiden sich die Franzosen ja auch dafür, nicht in Panik zu verfallen. Die Tagezeitung „Le Monde“ jedenfalls rief dazu auf, nicht in die Falle der Terroristen zu tappen. Und entschieden ist die Wahl ohnehin erst, wenn alle Wahllokale geschlossen haben und die Stimmen ausgezählt sind. Mittelbayerische Zeitung
Präsidentenwahl in Frankreich: Wahllokale haben geöffnet