Studie: Lebensleistungsrente taugt nicht als Mittel gegen Altersarmut

Es muss Schluss sein mit dem Rentenwettlauf

Das politische Ziel: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll als Rentner mehr als nur Grundsicherungsleistung in der Tasche haben. Die große Koalition will es mit der sogenannten Lebensleistungsrente erreichen. Das die Lebensleistungsrente nicht zur Bekämpfung der Altersarmut taugt und sogar die Akzeptanz der gesetzlichen Rente untergraben würde, zeigt eine Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsinsituts (HWWI) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

Die Ergebnisse der HWWI-Studie lassen sich mit einem Wort zusammenfassen: „niederschmetternd“. Keines der mit der Lebensleistungsrente verfolgten Ziele kann wirkungsvoll und zielgenau erreicht werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HWWI stellen fest:

1. Die Lebensleistungsrente verfehlt ihr Ziel, Altersarmut zu vermeiden.
2. Die Lebensleistungsrente begünstigt die Falschen.
3. Die Lebensleistungsrente birgt die Gefahr von Fehlanreizen.
4. Die Lebensleistungsrente untergräbt die Akzeptanz der gesetzlichen Rente.
5. Die Lebensleistungsrente ist teuer; das Geld für die LLR kann andernorts effektiver eingesetzt werden.

Gründe für Altersarmut sind ein weit unterdurchschnittliches Einkommen während der Erwerbsphase, eine geringe Zahl an Versicherungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung, lang andauernde Teilzeitbeschäftigung, lange Zeit an Selbstständigkeit ohne Absicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk, fehlende private oder betriebliche Altersvorsorge. In keinem dieser Fälle hilft die Lebensleistungsrente. Ohnehin ist heute Armut im Alter im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nicht besonders hoch.

Studienleiterin Dr. Christina Boll: „Das künftige Ausmaß der Altersarmut wird davon abhängen, inwieweit es gelingt, das Renteneintrittssalter an die steigende Lebenserwartung anzupassen und möglichst kontinuierlich gute Einkommen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu erzielen, sowie zusätzlich privat und betrieblich für das Alter vorzusorgen. Die Lebensleistungsrente wäre ein stumpfes Schwert zur Vermeidung von Altersarmut.“

Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM, fordert die Politik daher auf, den Arbeitsmarkt zu stärken und die Rentenkassen zu stabilisieren: „Freibeträge für Leistungen aus privater Altersvorsorge würden viel zielgenauer die Lebensleistung honorieren, als eine sogenannte Lebensleistungsrente. Diese wäre nur ein weiteres teures Wahlgeschenk, das nicht bei denen landet, die auf Hilfe angewiesen sind.“

Rentenniveauanhebung: Vierköpfige Familie müsste fast 1000 Euro im Jahr mehr zahlen

Mit teilweise falschen Zahlen und irreführenden Behauptungen wird derzeit Stimmung gegen die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) gemacht. In diesem Zusammenhang fordern Gewerkschaften und Sozialverbände regelmäßig das Rentenniveau nicht länger dem demografischen Wandel anzupassen, sondern es entweder auf dem heutigen Stand zu halten oder es sogar anzuheben. Um die daraus folgenden zusätzlichen Ausgaben zu finanzieren, müssten die Rentenbeiträge deutlich steigen – die finanziellen Folgen hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) berechnen lassen.

Die Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent würde eine vierköpfige Familie zusätzlich mit etwa 980 Euro im Jahr 2030 belasten. Ein kinderloser Single müsste jährlich rund 480 Euro mehr in die Rentenkasse zahlen, als es bei der derzeitigen Gesetzeslage nötig wäre. Das sind Ergebnisse einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Im Auftrag der INSM haben die Wissenschaftler die Nettoeinkommenseffekte für repräsentative Haushaltstypen berechnet. Im ersten Szenario wird das Rentenniveau auf dem heutigen Stand von etwa 47,5 Prozent belassen, im zweiten auf 50 Prozent angehoben. Für die Beitragszahler (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) würde das zu Beitragssatzanhebungen bis 2030 auf rund 23,5 Prozent, bzw. 25 Prozent führen. Im sogenannten Status-quo-Szenario, bei dem die derzeitige Gesetzeslage unverändert bliebe, würde der Beitragssatz bis 2030 hingegen nur auf 21,5 Prozent ansteigen und das Rentenniveau auf 44,6 Prozent sinken. Je nach Haushaltskonstellation ergeben sich aus den höheren Beitragssätzen zusätzliche Belastungen in Höhe von teilweise über 1000 Euro (erhöhter Arbeitnehmerbeitrag abzüglich Steuerersparnis aufgrund höherer Vorsorgeaufwendungen).

Nach Meinung von Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM, widerspricht die Anhebung des Rentenniveaus dem Prinzip einer generationengerechten Rentenpolitik: „Wer das Rentenniveau anhebt, belastet die Beitragszahler mit 500 bis 1000 Euro pro Jahr. Auch Alleinerziehende und Familien mit Kindern müssten bei ihren Nettoeinkommen erhebliche Einbußen verkraften. Das Bittere dabei: die tatsächlich von Altersarmut Betroffenen hätten von der Anhebung nichts.“ Und weiter: „Auch eine sogenannte Haltelinie unterhalb des derzeitigen Rentenniveaus würde die Beitragszahler in zwanzig Jahren zweistellige Milliardensummen kosten. Verlässliche Haltelinien sichert man nicht mit Gesetzen, sondern mit guter Arbeitsmarktpolitik und durch eine schrittweise Anhebung des Rentenalters.“ Florian von Hennet – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)

vbw: Es muss Schluss sein mit dem Rentenwettlauf

Gaffal: „Keine weitere Belastung für den Faktor Arbeit“

Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. kritisiert aus aktuellem Anlass den Verlauf der derzeitigen Rentendebatte. „In der Diskussion um die Zukunft der Altersvorsorge muss jetzt Schluss sein mit dem Wettlauf um Renten-Wohltaten“, mahnt vbw Präsident Alfred Gaffal. „Unserem Land fehlt ein rentenpolitisches Gesamtkonzept, das auf der einen Seite die nächsten Generationen im Auge behält, und auf der anderen Seite den Faktor Arbeit nicht weiter belastet.“

Gaffal betont: „Die Erhöhung der Rentenbeiträge ist nicht akzeptabel. Schon heute liegt die Abgabenpflicht zur Sozialversicherung bei fast 40 Prozent. Die Arbeitgeber in der deutschen Privatwirtschaft zahlten 2015 an Arbeitskosten 32,70 Euro für eine Stunde Arbeit – 26 Prozent mehr als im Durchschnitt der EU. Eine weitere Erhöhung hätte zwangsläufig negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und würde zu mehr Arbeitslosen führen, die dann wiederum als Beitragszahler für die Rentenkasse fehlen.“ Die Rente mit 63, die Mütterrente und ihre geplante Ausweitung sowie die in Aussicht gestellte Erhöhung der Ostrenten sind aus Sicht der vbw rentenpolitische Fehlentscheidungen, die nicht finanzbar sind. „Allein die geplante Ostrentenentscheidung würde nach Schätzungen bis zum Jahr 2020 5,7 Milliarden Euro kosten. Da die durchschnittliche Rente in Ostdeutschland mit 905 Euro ohnehin über der in Westdeutschland mit 722 Euro liegt, besteht keine Notwendigkeit für eine Angleichung“, so Gaffal.

„Alle Leistungsausweitungen zugunsten jetziger Rentner und rentennaher Jahrgänge müssen einseitig von heutigen und künftigen Beitragszahlern aufgebracht werden. Das ist mit dem Gedanken der Generationengerechtigkeit nicht vereinbar. Wir brauchen endlich ein tragfähiges Gesamtkonzept, das den Faktor Arbeit nicht weiter belastet“, fordert Gaffal. „Eine zukunftsfeste Gestaltung der Rente muss das oberste Gebot sein. Alle Rentenleistungen müssen im direkten Zusammenhang zu den eingezahlten Beiträgen stehen. In der Diskussion um das gesetzliche Rentenniveau darf nicht vergessen werden, dass die Altersvorsorge auf den drei Säulen der gesetzlichen Rente, der privaten Vorsorge und der betrieblichen Altersversorgung ruht, die sich intelligent ergänzen müssen.“ Roman Möhlmann,  vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

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