Angesichts der heftigen Kritik am Klimapaket der Bundesregierung ist die SPD-Spitze zu Nachbesserungen bei der CO2-Bepreisung bereit. „Wir haben ja der Union vorgeschlagen, dass man wenigstens als Kompromiss mit 20 Euro beginnt“, sagte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“.
„Es ist nicht an der SPD gescheitert, es hätte mit uns einen höheren Preis geben können“, sagte Dreyer mit Blick auf das Verhalten von CDU/CSU in den 19-stündigen Verhandlungen bei Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche. „Wir werden offen mit den Grünen darüber sprechen, wie man zusammenkommen kann“, betonte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin mit Blick auf die schwierigen Verhandlungen über die CO2-Steuer und andere Pläne im Bundesrat – Dreyer selbst regiert mit Grünen und FDP in Mainz.¹
Die Bewegung »Fridays for Future« bringt Millionen Menschen auf die Straße, und im Kanzleramt läuft die Bundesregierung heiß. Dieser Freitag wird in die politische Geschichte unseres Landes eingehen, auch wenn ihm weder unmittelbar der Weltuntergang noch die Weltenrettung folgt. Und doch ist das Klimapaket ein großer Schritt in die richtige Richtung, weil es auf Langzeitwirkung setzt und der Kraft des Fortschritts mehr vertraut als dem Verbot. Dass es trotzdem Kritik von allen Seiten gibt, überrascht nicht. Wie sollte es anders sein, wenn sich Leugner des menschengemachten Klimawandels auf der einen und Anhänger einer neuen Öko-Religion auf der anderen Seite gegenüberstehen.
Da wäre es sogar für die stärkste und selbstbewussteste Regierung unmöglich gewesen, es allen Recht zu machen. Und diese Koalition aus CDU/CSU und SPD ist weder besonders stark noch besonders selbstbewusst. So verwundert es nicht, dass einige Maßnahmen eher dem Durchhaltewillen der Regierenden geschuldet sind und zur Beruhigung der Regierten dienen sollen. Im berechtigten Bemühen, die Akzeptanz unterschiedlichster Interessengruppen zu erlangen, ist die Große Koalition zum Teil doch arg ins Klein-Klein verfallen. Zugleich erweckt sie so einen Rechte-Tasche-Linke-Tasche-Effekt. Ein radikales Umsteuern, wie es die Umweltverbände und ihre wahrlich nicht nur jungen Anhänger fordern, hätte sicher anders ausgesehen.
Doch ist es gerade das Beste an den Beschlüssen, dass sie nicht auf Radikalität und den »Systemumsturz« setzen. Denn niemand kann glauben, dass ein Kurs des plumpen Verbietens langfristig betrachtet Aussicht auf Erfolg hätte. Ebenso sollte niemand glauben, dass ein Klimaschutzpaket einer deutschen Regierung genügen könnte, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Dafür ist viel zu lange viel zu wenig passiert. Und so sind jetzt nicht nur die Politiker, sondern wir alle gefordert – und das für ziemlich lange Zeit mit ziemlich einschneidenden Veränderungen. Vor diesem Hintergrund ist es auch das einzig Richtige, auf eine CO2-Bepreisung über den Handel mit Verschmutzungsrechten zu setzen statt auf eine CO2-Steuer.
Das Vertrauen in die Kraft und Lösungsfähigkeit der Marktwirtschaft darf nicht verloren gehen. Doch wird alles Bemühen erfolglos bleiben, wenn der Zertifikatehandel an Deutschlands Grenzen Halt macht. Man darf gespannt sein, was dazu an diesem Wochenende beim UN-Klimagipfel in New York zu hören sein wird. Überhaupt sollte die Tatsache, dass Deutschland für exakt 2,1 Prozent der energiebedingten weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, nicht außer Blick geraten. Und zwar nicht, um daraus eine faule Ausrede für das Nichtstun abzuleiten, sondern um technologische Lösungen zu entwickeln, die weltweit überzeugen und als Vorbild dienen können.²
¹Der Tagesspiegel ²Westfalen-Blatt