Die unter dem neuen Vorsitzendenduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans stärker nach links ausgerichtete SPD soll mehr Industriepolitik wagen. Das fordert der konservative „Seeheimer Kreis“ der SPD-Bundestagsfraktion in einem aktuellen Positionspapier, das der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vorliegt. Darin heißt es, dass es für Unternehmen der stromintensiven Industrie „eine zeitlich begrenzte Entlastung durch eine Absenkung der Steuern, Umlagen und Abgaben auf Strom“ geben müsse.
Der Grund: Die „Seeheimer“ sehen durch die CO2-Bepreisung zusätzliche Belastungen auf diese Unternehmen zukommen, weil die Betriebe von einer Absenkung der EEG-Umlage aufgrund der bestehenden Befreiung nicht profitieren würden. Zudem wolle man Investitionen in eine klimaneutrale Produktion steuerlich fördern, heißt es in dem Papier. „Im Gegenzug sollen sich diese Unternehmen verpflichten, ihre Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2035 deutlich zu reduzieren und bis 2050 komplett CO2-neutral zu produzieren.“
Es brauche Klarheit bis zur Einführung der CO2-Bepreisung, damit die Unternehmen ihre Zukunft weiterhin in Deutschland sähen. Den besten Klimaschutz gewährleiste man durch Arbeitsplätze. Zugleich fordern die „Seeheimer“ einen europäischen Binnenmarkt, „der nur CO2-neutral produzierte Waren aus- und einführt“. Dies wäre ein internationales Vorbild. Nur mit einer starken Industrie könne man gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit im Land sorgen, schreiben die Autoren.
Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent solle angepasst werden, sodass dieser erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 90.000 Euro greife. „Damit können wir unsere Facharbeiterschaft deutlich entlasten“, so das Papier.¹
Der Kohleausstieg der Bundesregierung ist dicker Geschenkkorb für Industrie
„Es geht völlig an der Realität vorbei, wenn der BDI jetzt Fake News über zu hohe Strompreise in die Welt setzt. Hier wird das Rad der Strompreislüge weitergedreht, die Energiewende habe den Strompreis verteuert. Studien zeigen das Gegenteil: Die Einspeisung von Erneuerbaren Energien hat von 2011 bis 2018 über 70 Milliarden Euro für alle Stromkunden an Stromkosten eingespart. Der eigentliche Skandal sind die jahrelangen Energiewende-Industrieprivilegien in zweistelliger Milliardenhöhe. Allein die EEG-Erleichterungen durch den ‚privilegierten Stromverbrauch‘ (BesAR) belaufen sich seit 2014 auf rund 30 Milliarden Euro und werden von den Privathaushalten, Handwerkern und Mittelständlern bezahlt“, erklärt Lorenz Gösta Beutin, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zur Kritik des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) am aktuellen Gesetzentwurf für den Kohleausstieg. Beutin weiter:
„DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, für eine gerechte Energiewende zu sorgen. Dazu gehören Sozialtarife für Privathaushalte, ein Stromsperren-Verbot und ein massiver Abbau der Energieprivilegien der Industrie und nicht höhere Gewinne auf Kosten der normalen Stromverbraucher. Auch muss über eine Überführung der Energiekonzerne und Stromnetze in öffentliche Hand nachgedacht werden, die Lösung der Klimakrise und business as usual sind wie die Quadratur des Kreises schlicht unmöglich.“²
Strompreise auf Rekordhoch – regionale Preisunterschiede bis zu 420 Euro – Ersparnis durch Anbieterwechsel nimmt ab – keine Preisunterschiede zwischen „normalem“ Strom und Ökostrom.
Die Strompreise für Verbraucher sind bundesweit auf einem Rekordhoch, noch nie mussten Menschen mehr für Strom bezahlen als im Jahr 2020. Eine Kilowattstunde (kWh) Strom kostet beim Grundversorger laut den Analysen von StromAuskunft.de im bundesweiten Schnitt 33,37 Cent, beim günstigsten Alternativanbieter sind es 26,86 Cent. Der Preis für den günstigsten Ökostromtarif liegt im bundesweiten Schnitt ebenfalls bei 26,86 Cent pro kWh.
Regionale Preisunterschiede betragen bis zu 420 Euro
„Zwischen der günstigsten Gemeinde in Hasbergen und der teuersten Gemeinde in Windsbach liegen rund 420 Euro Preisunterschied bezogen auf einen den Grundversorgungstarif beim lokalen Versorger sowie einem Jahresverbrauch von 3500 kWh. Das ist ein enormer Preisunterschied, zumal es beim Strom keine Qualitätsunterschiede gibt und in der Grundversorgung gesetzlich einheitliche Kündigungsfristen gelten“, sagt Dr. Jörg Heidjann, Energieexperte und Herausgeber der Stromstudie.
Auf Bundesländer-Ebene betrachtet zahlen Stromkunden in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen die höchsten Strompreise in Deutschland. Deutlich günstiger sind die Stromkosten in Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
- Bremen 1083,-
- Niedersachsen 1085,-
- Rheinland-Pfalz 1118,-
- Nordrhein-Westfalen 1128,-
- Hessen 1156,-
- Baden-Württemberg 1157,-
- Sachsen 1159,-
- Sachsen-Anhalt 1174,-
- Berlin 1188,-
- Hamburg 1197,-
- Bayern 1201,-
- Saarland 1207,-
- Schleswig-Holstein 1214,-
- Thüringen 1226,-
- Brandenburg 1232,-
- Mecklenburg-Vorpommern 1254,-
- Tabelle: Strompreise in den Bundesländern
Strompreise für die 10 größten Städte in Deutschland
Die Preisanalyse für die 10 größten Städte ergibt folgendes Bild. Einwohner in Frankfurt zahlen demnach über 230 Euro mehr für Strom als Einwohner in Düsseldorf. Eher günstig ist Strom in München, Essen und Köln, während die Preise in Hamburg und Berlin zu den teureren zählen.
- Düsseldorf 1003,-
- München 1085,-
- Essen 1104,-
- Köln 1109,-
- Dortmund 1156,-
- Leipzig 1169,-
- Stuttgart 1176,-
- Berlin 1188,-
- Hamburg 1197,-
- Frankfurt 1235,-
Tabelle Strompreise in den 10 größten Städten in Deutschland
Die günstigsten 5 Städte in Deutschland sind:
- Hasbergen 965,-
- Meckenheim 971,-
- Emmerich 985,-
- Buxtehude 987,-
- Hamm 999,-
Die teuersten 5 Städte in Deutschland sind:
- Windsbach 1383,-
- Buchbach 1373,-
- Cadolzburg 1363,-
- Mengen 1363,-
- Neustadt 1358,-
Ersparnis durch den Anbieterwechsel nimmt ab
Ein Vergleich der Strompreisanalysen über 6 Jahre zeigt, dass die Differenzen zwischen dem lokalen Stromanbieter und dem günstigsten Alternativtarif in Summe kleiner geworden ist, d.h. die Preisunterschiede insgesamt abgenommen haben. Mögliche Ursache ist, dass einige Discountanbieter, die in der Vergangenheit Kunden mit Billigstromangeboten angelockt haben, mittlerweile insolvent sind.
Ökostrom ist nicht teurer als „normaler“ Strom
Eine weitere Erkenntnis der aktuellen Preisstudie ist, dass Ökostrom mittlerweile nicht mehr teurer ist als „normaler“ Strom. „Im Bundesdurchschnitt gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Ökostromtarifen und normalen Tarifen. Das beobachten wir nun zum ersten Mal und ist eine sehr positive Entwicklung auf dem Energiemarkt“, sagt Dr. Jörg Heidjann.³
¹Rheinische Post ²Partei Die Linke im Bundestag ³StromAuskunft / Heidjann GmbH