Die Zahl der rechten Straftaten in Nordrhein-Westfalen bleibt auch während der Corona-Pandemie auf einem hohen Niveau. Im vergangenen Jahr 2020 zählten die Behörden 3.383 solcher Taten, ein Jahr zuvor waren es etwa 300 mehr. Das berichtet die in Bielefeld erscheinende Neue Westfälische (Freitagausgabe) unter Berufung auf eine Antwort der NRW-Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Landtagsfraktion der Grünen.
Trotz leicht sinkender Gesamtzahl bleibt das Ausmaß an Hasskriminalität mit 1.296 Tatenkonstant, die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten ist sogar angestiegen – von 1.177 (2019) auf 1.267.
Verena Schäffer, Vorsitzende der NRW-Landtagsfraktion der Grünen, sagte der Zeitung:“Die vorliegenden Zahlen zeigen erneut: Menschenverachtung und Hass sind die Triebfeder des Rechtsextremismus.“ Am Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau erinnerten diese Zahlen, so Schäffer, „auf besonders schmerzliche Weise an die dauerhafte Bedrohung durch den Rechtsextremismus für unsere vielfältige demokratische Gesellschaft.“¹
„Keiner kann sagen, man habe Hanau nicht kommen sehen.“
Fatih, Ferhat, Gökhan, Hamza, Kaloyan, Mercedes, Nesar, Sedat und Vili.
Neun Namen. Neun Menschen. Aus dem Leben gerissen, vor einem Jahr in Hanau.
Weil Rassismus Alltag ist in unserem Land.
Weil er Leben zerstört.
Weil er tötet.
Keiner kann sagen, man habe Hanau nicht kommen sehen. Seit Jahren sprechen die Zahlen des Verfassungsschutzes für sich: über 33.000 Rechtsextreme leben in Deutschland, 13.000 davon sind gewaltbereit, Tendenz steigend.
Warum schrillen bei uns nicht alle Alarmglocken?
Und wie kann es sein, dass die Hinterbliebenen auch heute noch über Respektlosigkeit und bürokratische Kälte klagen, die ihnen von Ämtern und Behörden entgegenschlagen?
Vielleicht liegt es daran, dass die Opfer Fatih, Mercedes und Sedat heißen und nicht Peter, Marie oder Georg.
Dass wir in ihnen Ausländer sehen, anstatt gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
Dass der tagtägliche Rassismus in Behörden und Ämtern, in Geschäften, in Schulen, Bussen und Bahnen nicht uns trifft, sondern „die anderen“.
Dass wir die Würde, die Artikel 1 unseres Grundgesetzes jeder und jedem zubilligt, nicht jeder und jedem zukommen lassen.
Dabei kennen wir die Wege hin zu Würde und Mitmenschlichkeit. Wir müssen sie aber auch gehen.
Decken wir strukturellen Rassismus auf und verbannen ihn aus unseren Reihen! Die von der Bundesregierung beschlossene Studie zu Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in der Polizei ist da allenfalls ein erster Schritt.
Machen wir ernst im Kampf gegen die internationalen Netzwerke von Rechtsterroristen und Rassisten! Mit der neuen amerikanischen Regierung werden wir dabei eng zusammenarbeiten.
Und vor allem: Machen wir uns bewusst, dass wir alle Fatih, Ferhat, Gökhan, Hamza, Kaloyan, Mercedes, Nesar, Sedat und Vili verloren haben durch den Mord mitten in unserem Land.
Dann wird aus Mitgefühl Veränderung.
Dann wird Handeln zur Pflicht.²
¹Neue Westfälische ²Auswärtiges Amt