Denn es darf nicht dazu kommen, dass Menschen sich ein Land mit hohen Sozialleistungen herauspicken und sich darauf verlassen, versorgt zu werden. Sie zapfen damit nämlich ein solidarisches Netz an, das für die Schwachen der jeweiligen Gesellschaft geknüpft wurde. Eine Berufung auf EU-Recht geht dabei fehl. Denn die Sozialsysteme müssen nicht von Brüssel in der Balance gehalten werden, sondern von den einzelnen Staaten. Märkische Oderzeitung
Der Spagat misslingt – Hartz-IV-Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Der Europäische Gerichtshof hat eine deutsche Verwaltungspraxis bestätigt. Deutschland muss arbeitslosen EU-Ausländern während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts keine Sozialleistungen nach Hartz IV zahlen. Gedacht ist dieser Ausschluss zum Schutz der sozialen Systeme. Er soll Sozialtourismus vermeiden. Das Gericht hält das nicht für falsch. Vertreter von Wohlfahrtsverbänden kritisieren das Urteil. Es entspreche nicht den EU-Prinzipien der Freizügigkeit. Wenn EU-Bürger sich in anderen EU-Staaten aufhalten dürfen, sollten sie dort die gleichen Ansprüche wie Einheimische haben. Liegt der Gerichtshof also falsch?
Gemessen an den Idealen der EU-Visionäre von einst vielleicht. Gemessen am Zustand der EU von heute auf keinen Fall. Eine gemeinsame Währung und grenzenloser Handel im Binnenraum sind zwar Schritte zu einem Europa, doch der Kontinent ist so weit von Einigkeit entfernt wie lange nicht. Der Spagat zwischen nationaler Souveränität und europäischer Gemeinsamkeit misslingt zunehmend. Natürlich muss ein Staat, der mit seinem Haushalt den Schuldenkriterien der EU entsprechen muss, auf seine Ausgaben schauen. Und Sozialtourismus käme auch die Herkunftsländer teuer zu stehen, denn ihnen würden die Menschen davonlaufen. Gleiches Recht für alle EU-Bürger in allen Ländern gäbe es nur, wenn Europa die nationalstaatliche Selbstverwaltung aufgäbe und von Brüssel aus regiert würde. Mit einem Haushalt über alle Grenzen hinweg. Nur würde der wegen endloser Streitereien nie verabschiedet. Martin Fröhlich Neue Westfälische
Kein Hartz-IV für EU-Bürger
Neue Runde im Streit um Sozialleistungen für zuziehende EU-Bürger: Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, diesen Bürgern von Anfang an Grundsicherung für Arbeitssuchende zu zahlen. An diesem Donnerstag entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg darüber, ob der pauschale Ausschluss von Arbeitslosengeld II (beziehungsweise von Sozialgeld für Kinder) für zugewanderte EU-Ausländer während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts rechtens ist.
Hesse kritisierte: „In einem geeinten Europa der Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen und Kapital ist es ein Anachronismus, wenn die Bewegungsfreiheit von Menschen durch solche Regelungen behindert wird.“Zu echter Freizügigkeit gehöre auch der gleichberechtigte Zugang zu den Jobcentern und ihren Angeboten vom ersten Tag an, „zumal die Verweigerung von Hartz IV für die Betroffenen häufig auch Probleme bei Krankenversicherungsschutz, Bildung oder auch der Wohnungssuche nach sich zieht“.
Der EUGH entscheidet in einem Fall aus Nordrhein-Westfalen. Dort waren einem Spanier und seinem Sohn Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II verweigert worden. Zur Begründung hieß es, sie hätten sich noch keine drei Monate in Deutschland aufgehalten. Der Generalanwalt beim EUGH hat in seinen Schlussanträgen die Ansicht vertreten, dass der Ausschluss von den fraglichen Sozialhilfeleistungen im ersten Vierteljahr des Aufenthalts mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Neue Osnabrücker Zeitung