Keine Dauersubvention für Thyssenkrupp

Kein Befreiungsschlag

Keine Dauersubvention für Thyssenkrupp

Die Lage bei Thyssenkrupp spitzt sich zu. Der Konzern hat im vergangenen halben Jahr 1,3 Milliarden Euro verbrannt, und im dritten Quartal soll alles schlimmer werden. Alle Hoffnungen ruhen auf dem Verkauf des Aufzuggeschäfts. Auch wenn der Ruhrkonzern zuversichtlich ist, diesen bis Herbst umzusetzen, hilft das nichts, wenn es keine Wende bei den verbleibenden Geschäften gibt. Mit der Aufzugsparte verkauft Thyssenkrupp seine Ertragsperle. Das kann man machen, wenn daraus etwas Neues entsteht. Doch wenn der Erlös nur dazu dient, die Löcher bei anderen Geschäften zu stopfen, hat der Konzern keine Zukunft. Entsprechend ließen die Anleger die Aktie abstürzen.

Die Corona-Krise ist dabei Fluch und Segen: Auf der einen Seite leiden die Geschäfte, die Thyssenkrupp mit der Autoindustrie macht, und verschärfen die Probleme. Auf der anderen aber liefert die Corona-Krise dem Konzern einen guten Vorwand, um an Staatshilfe zu kommen. Erstmal gibt es nur einen Kredit aus dem Rettungsprogramm der Förderbank KfW. Doch was sind schon eine Milliarde Euro bei einem Fass ohne Boden? Und so dürfte schon bald die Frage nach mehr im Raum stehen. Mit Peter Altmaier hat Thyssenkrupp einen wichtigen Fürsprecher an der Seite: Der Wirtschaftsminister will seine heimatliche Saarstahl wie die deutsche Stahlindustrie retten. Staatshilfe zur Päppelung kaputter Geschäftsmodelle verbietet sich in einer Marktwirtschaft eigentlich. Doch neben der Corona-Krise liegt die nächste Ausrede schon auf dem Tisch, und die lautet: Der Staat müsse den klimafreundlichen Umbau unterstützen. Und bei der Gelegenheit gleich alle deutschen Stahlhersteller fusionieren? Bloß nicht. Unternehmen, die alleine nicht lebensfähig sind, kann der Staat auf Dauer nicht am Leben halten. Dann muss zerschlagen werden.¹

Der Verkauf der lukrativen Aufzugssparte sollte für Thyssenkrupp zum Befreiungsschlag werden. Doch daraus wird absehbar nichts. Dazwischen kommt die Covid-19-Pandemie, die den ohnehin angeschlagenen Ruhrgebietskonzern schwer in Mitleidenschaft zieht.

Abzulesen ist das am Zahlenwerk für das zweite Quartal, das für die fortzuführenden Geschäfte so gar keinen Lichtblick liefert. Im Gegenteil: Nach dem Verkauf von Elevator ist Thyssenkrupp noch stärker von der Automobilindustrie abhängig, die schon vor Ausbruch der Viruskrise schwächelte. Das Stahlgeschäft, welches das neue Kerngeschäft bildet, leidet nicht nur an vorübergehenden Produktionsstillständen in den Abnehmerindustrien. Vielmehr gibt es hier seit Jahr und Tag globale Überkapazitäten, die sich aufgrund der wegbrechenden Nachfrage noch ausweiten dürften.

Letztlich schrieb Thyssenkrupp schon auf Ebene des um Sonderlasten bereinigten operativen Ergebnisses im Berichtsquartal tief rote Zahlen. Im dritten Quartal wird im schlimmsten Fall mit einem operativen Verlust von bis zu 1 Mrd. Euro kalkuliert. On Top kommen millionenschwere Restrukturierungsaufwendungen.

Noch schlimmer allerdings wiegt, dass sich die Finanzkennzahlen weiter verschlechtern. Ein Rezept, um den ungebremsten Mittelabfluss zu stoppen, ist bislang nicht gefunden. Im ersten Halbjahr verbrannte Thyssenkrupp 2,7 Mrd. Euro. Die Nettoverschuldung belief sich per Ende März auf 7,5 Mrd. Euro. Hinzu kommen Pensionsverbindlichkeiten in vergleichbarer Größenordnung. Das Gearing beläuft sich mittlerweile auf über 640 Prozent, das Eigenkapital ist bei einer Bilanzsumme von gut 36 Mrd. Euro auf 1,2 Mrd. Euro zusammengeschrumpelt.

Kreditwürdig – vor wenigen Tagen sicherte sich das Unternehmen eine Mrd. Euro schwere Kreditlinie aus dem Notprogramm der KfW – ist Thyssenkrupp nur noch, weil der Verkauf der Aufzugssparte demnächst 17,2 Mrd. Euro in die Konzernkasse spült. Die hehren Pläne, den Verkaufserlös nur soweit zwingend erforderlich zur Bilanzreparatur zu verwenden, werden zunehmend Makulatur.

Mit dem Verkauf der Aufzugssparte ist das Tafelsilber weg. Nächste Woche soll der Zukunftsplan für die verbliebenen Geschäfte vorgestellt werden. Die Verkaufsliste, auf der bisher neben dem Großanlagenbau auch die Sparte für Grobbleche steht, dürfte länger werden. Allein die Suche nach Käufern oder Partnern dürfte in Coronazeiten ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen sein.²

¹Antje Höning – Rheinische Post ²Annette Becker – Börsen-Zeitung

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