Kann die elektronische Fußfessel Terrorismus bekämpfen

Bundesländer wollen möglichst bald eigene Gesetze für elektronische Fußfessel

Kann die elektronische Fußfessel Terrorismus bekämpfen

Hätte es das geänderte BKA-Gesetz schon 2016 gegeben, wäre Anis Amri trotzdem nicht mit einer Fußfessel überwacht worden. Denn für ihn war die Polizei NRW zuständig, und in deren Landespolizeigesetz gibt es keine Fußfesselregelung. Viel mehr als eine Beruhigungspille für die Bevölkerung ist das geänderte BKA-Gesetz erst einmal nicht. Das gilt auch für eine Änderung des Strafgesetzbuches, die Justizminister Heiko Maas (SPD) in gleicher Sache vorgelegt hat. Danach muss ein Terrorist mindestens drei Jahre gesessen haben, bevor er eine Fußfessel bekommen kann. Weniger beifallsheischender Aktionismus und besser durchdachte Konzepte – das würde dem Land in diesen Zeiten gut tun. Westfalen-Blatt

Fast alle Bundesländer wollen möglichst bald auch eigene gesetzliche Grundlagen für den Einsatz elektronischer Fußfesseln gegen Gefährder schaffen. Das ist nach Angaben der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ das Ergebnis einer Umfrage unter allen Innenministern.

Unklar sei die Beschlusslage noch bei den rot-rot-grünen Landesregierungen in Berlin und Thüringen. In Thüringen sehe Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) die Fußfessel gegen Gefährder als „wichtigen Baustein zu mehr Sicherheit im Freistaat“. Das Kabinett müsse sich aber erst noch darauf verständigen, ob diese Ansicht von allen Ministern geteilt werde. Unter anderem in Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg sind Gesetzentwürfe bereits in Arbeit. Die Grundlagen für den Fußfesseleinsatz würden nun „rasch“ geschaffen, kündigte etwa Innenminister Thomas Strobl (CDU) in Baden-Württemberg an. Die elektronische Fußfessel könne dazu beitragen, „die öffentliche Sicherheit zu erhöhen und potenziellen Terroristen das Handwerk zu legen“, sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) der „Rheinischen Post“. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU), will sich für eine zügige einheitliche Regelung aller Bundesländer einsetzen. Ein Arbeitskreis habe sich mit dem weiteren Verfahren bereits in einer Sondersitzung befasst. „Wir brauchen eine strenge Überwachung von Gefährdern, die Fußfessel ist dafür ein geeignetes Instrument“, erklärte Ulbig. Rheinische Post

Wehrhafter Rechtsstaat

Die Politik reagiert auf die akute Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Die Razzien am Mittwoch und die Änderung des BKA-Gesetzes sind deutliche Signale, dass der deutsche Rechtsstaat wehrhaft sein kann und muss. Im Wahljahr werden sicher weitere Anti-Terror-Maßnahmen wie der Ausbau der Videoüberwachung folgen, die auch der Beruhigung der Bürger dienen. Wer jedoch den Koalitionsparteien wahltaktische Motive unterstellt, wer die Politiker des Alarmismus bezichtigt, der unterschätzt die existenzielle Gefahr für unsere Demokratie, die von gewaltbereiten Fanatikern ausgeht.

Aus dem Behördenversagen im Fall von Amri mussten Lehren gezogen werden. Und sie sind richtig gezogen. Elektronische Fußfesseln alleine werden keine Anschläge verhindern. Aber sie können die Überwachung von 550 Gefährdern in Deutschland erleichtern, ihre Bewegungen einschränken und sie an der Ausreise in die Kampfgebiete im Ausland hindern. Die Behörden erwarten, dass die Anzahl von Gefährdern wachsen wird und mit ihr das Risiko von Anschlägen. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, binnen kurzer Zeit ein Heer von Extra-Bewachern auszubilden und einzustellen, um die Islamisten rund um die Uhr verfolgen zu können. Somit ist die Fußfessel als Baustein der Anti-Terror-Strategie unvermeidlich.

Allerdings – und auch das gehört zu den Pflichten des Rechtsstaats – muss die Politik den juristischen Bedenken gegen die erweiterten BKA-Vollmachten Rechnung tragen. Der Zwang zu Fußfesseln bei Verdächtigen, die vielleicht noch keine Straftaten verübt haben, ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Darum sind bundesweit einheitliche, nachvollziehbare Kriterien notwendig, wer und wann als Gefährder eingestuft wird. Vor allem die Länder, in deren Zuständigkeit hauptsächlich die Überwachung von gefährlichen Islamisten fällt, müssen jetzt schnell ihre Polizeigesetze anpassen. An Baden-Württemberg wird es wohl nicht liegen: Innenminister Thomas Strobl ist ein Befürworter der verschärften Sicherheitsmaßnahmen. Schwäbische Zeitung

Entfesselte Behörde – zum neuen BKA-Gesetz

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2016 muss den Bundesinnenminister schwer getroffen haben. Die Karlsruher Richter hatten sein BKA-Gesetz, das der Behörde weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre von Bürgern ermöglichte, teilweise kassiert. Der düpierte Minister hatte daraufhin erklärt, er werde die »aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten bei der Nacharbeit an dem Gesetz vollumfänglich ausschöpfen«. Sprich: Seine Juristen sollten ihr ganzen Können aufbieten, um die Vorgaben des Gerichts halbwegs legal zu umgehen. Zumindest in diesem Punkt hat Thomas de Maizière Wort gehalten. Die nun vom Kabinett beschlossene Fassung des Gesetzes wird den von Karlsruhe angemahnten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht sicherstellen können.

Wie soll das BKA auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stärker berücksichtigen, wenn die Behörde gleichzeitig an einer neuen Schnüffelsoftware tüftelt, die die Kommunikation von Smartphones und Tablets direkt auf dem Gerät überwachen kann? Die Ermittler werden so alle Eingaben auf den Geräten nachverfolgen. Angesichts der sich daraus ergebenden Konsequenzen für alle Bürger mutet die ebenso sinnlose wie rechtlich umstrittene Neuregelung des Einsatzes der elektronischen Fußfessel fast wie eine Lappalie an. Der Innenminister will sein BKA zu einem deutschen FBI umbauen. Die Grundlagen dafür sind nun gelegt. neues deutschland

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