Höchste Zeit: Merkel lässt Seehofer den Vortritt

CDU und CSU denken über Tausch von Ministerien nach

Höchste Zeit: Merkel lässt Seehofer den Vortritt

Horst Seehofer beschäftigt wieder das ganze Land, und diesmal kann man wenigstens hoffen, dass es das letzte Mal ist. Auch wenn er stoisch bei seinem Verkündigungsterminplan bleibt und bis zuletzt versucht, sich wenigstens als Innenminister zu retten: Seehofer hat es nicht mehr in der Hand. Die eigene Partei kann ihn nicht mehr ertragen, und die Große Koalition hat längst die Faxen dicke. Ihr verzweifeltes Bemühen, einen Aufbruch zu inszenieren, scheitert am sichtbarsten an der Personalie Seehofer.

Doch auch die Kanzlerin hat es nicht mehr in der Hand. Angela Merkel kann schwerlich gerade jetzt die Reißleine ziehen. Sie, die nicht handelte, als Seehofer ihr eine Herrschaft des Unrechts vorwarf, mit Verfassungsklage drohte und die Richtlinienkompetenz streitig machte, kann jetzt nicht wegen seines Zögerns und Zagens ein Fass aufmachen.

Macht nichts. Denn eigentlich verdient Seehofer die ganze Aufregung nicht. Und die Koalition verdient es nicht, sich mit seinem Opfer reinzuwaschen. Andrea Nahles liest offenbar vom falschen Sprechzettel ab, wenn sie sagt, am CSU-Chef scheitere der Vollzug einer personellen Erneuerung der Koalition. Eine Erneuerung kauft dieser niemand ab, auch personell wäre dafür weit mehr nötig. Den Menschen sind solche Inszenierungen ohnehin allenfalls Grund zu neuem Misstrauen. Ihre Lebensqualität entscheidet am Ende über die Glaubwürdigkeit der Akteure. Also die Realität. Etwas, dem sich nicht nur Horst Seehofer seit langem hartnäckig verweigert. Was nicht heißt, dass er sich ihr nicht endlich stellen sollte.¹

Seehofer sollte alleseine Koffer packen

Nach dem angekündigten Verzicht von Innenminister Horst Seehofer auf den CSU-Vorsitz sind in der Union Überlegungen über eine Kabinettsumbildung in Gang gekommen. Das berichtet die Düsseldorfer „Rheinische Post“ unter Berufung auf Parteikreise. Sollte Seehofer in absehbarer Zeit auch das Innenressort zur Verfügung stellen, könne es zu einem erneuten Tausch von CDU- und CSU-regierten Ministerien kommen. 2011 hatten die beiden Parteien nach dem Rücktritt des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg schon einmal Verteidigungs- und Innenministerium getauscht. Ein Rückzug von Seehofer könne genutzt werden, um eine neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer oder einen neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz in die Regierungsgeschäfte mit einzubinden, hieß es.

Horst Seehofer war streckenweise ein sehr erfolgreicher CSU-Chef. Aus einer funktionierenden Koalition heraus eine Partei zur absoluten Mehrheit zu führen, das hat vor ihm kaum einer geschafft. Doch nun droht er an einem überzeugenden Abgang zu scheitern. CDU-Chefin Angela Merkel löste ein Hoch-Gefühle aus, als sie nach der Hessenwahl ankündigte, an der Parteispitze Platz zu machen. Seehofer brauchte dafür vier Wochen länger und erzeugte in der CSU vor allem Frust darüber, dass er offensichtlich aus dem Amt getragen werden muss. Dass er nun das Ende an der Parteispitze „in keiner Weise“ mit dem Ministeramt verbinden will, ist nachvollziehbar.

Einer wie er will in Würde und selbstbestimmt gehen und mit Respekt verabschiedet werden. Allerdings hat er diesen Zeitpunkt als Parteichef längst versäumt und ist nun auf dem besten Weg, auch als Innenminister nicht mehr in Ruhe seine Projekte abarbeiten zu können, sondern als die sprichwörtliche „lahme Ente“ behandelt zu werden. Oder will er partout nicht vor Merkel ganz gehen? Das glaubwürdigste Dementi persönlicher Rachegefühle wäre es, nun alle Koffer zu packen. Sonst werden die Stimmen immer lauter, die den Verzicht auch aufs Ministeramt einfordern. Und dann war’s das mit Respekt und Würde.²

¹neues deutschland ²Gregor Mayntz – Rheinische Post

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