Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, hält wirtschaftliche Hilfen für die Türkei für sinnvoll, wenn sich die aktuelle Entspannung zwischen Präsident Erdogan und Europa fortsetzt.
Schmid sagte am Dienstag im Inforadio vom rbb, ein wichtiger politischer und wirtschaftlicher Partner wie die Türkei dürfe nicht hängen gelassen werden. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass sich die Türkei wieder auf die EU zubewege. Schmid wörtlich: „Natürlich haben auch die Türken wahrgenommen, dass in Deutschland und der EU eine Bereitschaft da ist, ins Gespräch zu kommen, und es zeichnet sich ab, dass die Türkei wieder stärker auf die EU zugehen will, das ist ja kein Fehler.“ Als Indizien nannte er die Freilassung des türkischen Vorsitzenden von Amnesty international, mehrerer griechischer Offiziere und der deutschen Übersetzerin Mesale Tolu.
Deutsche und europäische Hilfen seien möglich, wenn sich diese Entwicklung fortsetze, sagte Schmid. Eine wichtige Voraussetzung für Wirtschaftshilfe sei Rechtssicherheit und Transparenz für Investitionen. Dann wäre neben Hilfen des Internationalen Währungsfonds auch eine Unterstützung durch die Europäische Investitionsbank denkbar, etwa in Form von Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen.¹
Nahles warnte vor einer Situation, in der man der Türkei helfen müsse. Fast alle kritisierten sie dafür, und auch Merkels Reaktion galt als Ablehnung: Man müsse „zurzeit“ nicht über Hilfe für die Türkei nachdenken. Am Ende heißt das aber dasselbe: Der Tag kann kommen – wegen der komplizierten wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen mit der Türkei, die ja „unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Erdogan“ bestehen, wie Nahles gesagt hatte.
Wer wüsste das besser als Merkel, die selbst den Kniefall vor Erdogan hinnahm, um das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei abzuschließen. Der Unterschied zwischen liegt im Ton: Die SPD-Chefin warnt; die CDU-Chefin winkt ab. Entweder tut Merkel das, um den Eindruck zu vermitteln, so schlecht stehe es um die Türkei nicht, und so die Märkte zu beruhigen. Oder sie weiß, dass eine Abfuhr für den Autokraten populärer ist, als sich heute mit der Wahrheit von morgen zu befassen.²
Göring-Eckardt fordert Rechtsstaatlichkeit – „Erstaunlich, dass die SPD diese Verknüpfung nicht macht“
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hält Wirtschaftshilfen für die Türkei nur unter sehr konkreten Vorgaben für gerechtfertigt. „Falls die Türkei um Unterstützung bittet, müssen wir ihr zu verstehen geben, dass sie zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückkehren muss“, sagte Göring-Eckardt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit Blick auf Forderungen der SPD nach Unterstützung des kriselnden Landes. „Die schlechte wirtschaftliche Lage der Türkei ist zu großen Teilen selbst verschuldet, durch Erdogan“, sagte die Grüne mit Blick auf das autokratische Agieren des türkischen Präsidenten. Der Hinweis von Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass die Türkei als Nato-Partner gehalten werden müsse, sei zwar richtig. Wirtschaftshilfen seien aber nur dann möglich, wenn im Gegenzug klar sei, dass die Türkei politische Gegner frei lässt und demokratische Reformen einleitet. „Sehr erstaunlich, dass die SPD diese Verknüpfung nicht gemacht hat“, sagte Göring-Eckardt.³
¹Rundfunk Berlin-Brandenburg ²Frankfurter Rundschau ³Neue Osnabrücker Zeitung