Für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet droht der Corona-Hotspot Gütersloh zu einem negativen Wendepunkt auf dem Weg zum CDU-Parteivorsitz und zur Kanzlerkandidatur zu werden. Ausgerechnet zum Ferienstart in NRW müssen Hunderttausende Bürger auf den Beginn ihrer Urlaubsreise verzichten oder sich in überfüllten Zentren testen lassen. Das ist ein Fiasko. Der Ärger über das Geschehen landet nicht nur beim Verursacher des Problems, dem Fleischbetrieb Tönnies, sondern auch bei der zu zögerlich agierenden Landesregierung.
Nachdem Laschet in den vergangenen Wochen vor allem von CSU-Ministerpräsident Markus Söder und der Opposition im eigenen Land Wind von vorne bekommen hatte, wächst mittlerweile auch der Unmut in den eigenen Reihen über ihn. Diese Stimmung ist für Laschet gefährlich. Je mehr der Eindruck in der CDU wächst, dass der NRW-Regierungschef ein schlechter Krisenmanager ist, desto mehr sinken seine Chancen, im Dezember als neuer Chef der Bundespartei und designierter Kanzlerkandidat den Parteitag zu verlassen. Ausgerechnet im Krisenjahr 2020 wird die CDU nicht einen Mann zum Parteichef wählen, den sie als Schönwetter-Kapitän wahrnimmt.
Die Corona-Krise kann die Aufstellung der Union für das Bundestagswahljahr 2021 noch einmal völlig durcheinander wirbeln. Wenn Laschet weiter den Eindruck erweckt, als laufe er den Problemen hinterher, wird Unwucht in die Parteichef-Frage kommen. Am Ende könnte ein Überraschungskandidat siegen. Die Nagelprobe für Laschet wird die Kommunalwahl im September sein. Wenn die CDU wegen ihrer Corona-Politik einen Denkzettel kassieren sollte, würde das Laschets Position kurz vor dem Bundesparteitag im Dezember weiter schwächen.
Selbst Kanzlerin Angela Merkel wird am 13. September nach Köln, Düsseldorf oder Mönchengladbach schauen. Überall da, wo es spannend werden kann bei der Kommunalwahl, lässt sich ablesen, ob und wie die Corona-Krise das politische Kräfteverhältnis im Land womöglich beeinflusst oder gar grundlegend verändert hat. Schließlich ist die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland das erste Stimmungsbarometer im Krisenjahr 2020. Das wachsende Unverständnis über die strengen Corona-Regeln und die zunehmende Zahl der Verstöße könnten ein Indiz für einen Stimmungswandel sein. Darauf hoffen vor allem rechte Gruppen, die allzu gern bei den Demos der Corona-Leugner mitmischen. Das fürchten die etablierten Parteien, die zumindest zum Anfang der Krise darauf zählen konnten, für ihr Krisenmanagement belohnt zu werden.
Für Ministerpräsident Armin Laschet (Corona-Bilanz gut, öffentliche Wahrnehmung mittelprächtig) geht es um die politische Zukunft. Wenn die CDU in vier Wochen schlecht abschneidet, kann er seine Chancen auf CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur abschreiben. Deshalb gilt für Laschet, worum sich jetzt jeder Bürgermeister und Landrat müht: Gut aussehen! Tatkraft zeigen! Gar nicht so leicht in einer Zeit ohne Kundgebungen, ohne öffentlichen Schlagabtausch. Wenn überhaupt, finden Debatten über die Medien statt, lässt sich im Internet verfolgen, wer mit welcher Strategie Aufmerksamkeit sucht. Die Corona-Pandemie erschwert mit ihren Abstandsregeln und Versammlungsverboten, was in der Vergangenheit schon schwierig war: Begeisterung zu wecken für die Kommunalwahl. Dabei sind der Urnengang und die überlegte Wahlentscheidung wichtiger denn je. Denn das hat die Corona-Krise gezeigt: Vor Ort muss gemeistert werden, was Ministerpräsident und Kanzlerin beschlossen haben.
Eva Quadbeck, Horst Thoren – Rheinische Post