Die Ausweitung des Homeoffice in der Corona-Krise hat gezeigt, dass es für viele Beschäftigte zumindest zeitweilig ein Fortschritt sein kann – wenn die technischen, räumlichen und rechtlichen Voraussetzungen stimmen. Unternehmen können Kosten für Büroräume sparen und ihre Beschäftigten sind tendenziell zufriedener, wenn sie mehr eigenverantwortlich gestalten können. Dadurch wird der Betrieb attraktiver für Fachkräfte. Es bedarf aber Verbesserungen für Beschäftigte und Betriebe in Branchen, in denen Heimarbeit nicht möglich ist. Sonst geraten sie bei der Nachwuchssuche ins Hintertreffen. Hier sind die Tarifpartner gefragt, Angebote zu entwickeln, damit der Fortschritt alle erreicht.¹
Arbeitsminister Hubertus Heil will anordnen, was längst praktiziert wird. Mit seinem Mobile-Arbeit-Gesetz sollen Beschäftigen ein Recht auf 24 Heimarbeitstage im Jahr erhalten. Zugleich soll eine digitale Kontrolle der Arbeitszeit dafür sorgen, dass der Computer rechtzeitig heruntergefahren wird, ansonsten droht ein Bußgeld von bis zu 30 000 Euro. Die Heimarbeit hat viele schwierige Fragen aufgeworfen – so ist noch unklar, wie sich der Datenschutz gewährleisten lässt, wenn sensible Daten von Patienten, Steuerzahlern und Lohnempfängern im heimischen Wohnzimmer bearbeitet werden. Datenschützer vermuten hier massenhafte Verstöße, für die der Arbeitgeber haftet. Es wäre verdienstvoll, hier praktikable Regelungen zu finden. Viel einfacher ist es dagegen, ein neues Recht zu postulieren, den von Corona gebeutelten Arbeitgebern weitere Strafen anzudrohen und auf öffentlichen Beifall zu warten.²
Führende Politiker der Unionsfraktion haben die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für einen Rechtsanspruch auf Homeoffice abgelehnt. „Die Krise hat gezeigt, dass die meisten Arbeitgeber, die es können, ohnehin gerne Homeoffice anbieten“, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Aber wir dürfen diejenigen, die es nicht oder nur schwer können, nicht mit zusätzlichen Rechtsansprüchen und Bürokratie belasten. Viele Mittelständler kämpfen derzeit ums Überleben, und neue Auflagen sind das Letzte, was sie gebrauchen können“, sagte der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung MIT.
Der Arbeitswelt habe das „unfreiwillige Experiment“ während der Corona-Pandemie gut getan, sagte Hermann Gröhe, der für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zuständige stellvertretende Chef der Unionsfraktion, der Zeitung. „Ich bin sehr dafür, dass wir uns auch künftig mehr mobiles Arbeiten zutrauen. Aber ich bin dagegen, dass wir die entstandene Experimentierfreude von Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch einen Rechtsanspruch wieder gefährden“, betonte Gröhe. Viele Unternehmen würde ein Rechtsanspruch abschrecken. Nicht wenige Arbeitnehmer wünschten sich zudem, wieder öfter aus dem Homeoffice zurückkehren zu können, weil sie auch Teamarbeit schätzten, so Gröhe.³
¹Wolfgang Mulke – Badische Zeitung ²Stuttgarter Nachrichten ³Rheinische Post