Flugzeugabsturz im Iran: Der Sinn im Absurden

Trumps Erklärungen im Fall Soleimani

Flugzeugabsturz im Iran: Der Sinn im Absurden

Dass Donald Trump es mit der Wahrheit nicht besonders ernst nimmt, ist hinlänglich bekannt. Der US-Präsident biegt sich die Fakten und Fantasmen alternativ zurecht, wie er es gerade braucht. Was er der Welt allerdings zur Begründung des Mordes an dem iranischen General Soleimani erzählt, erscheint immer deutlicher als faustdicke Lüge. Der General habe unmittelbar bevorstehende Angriffe auf US-Bürger und -Einrichtungen geplant, hatte Trump behauptet. Bisher fehlt jeder Beweis dafür; die verlogene Dreistigkeit gipfelt in dem Satz: „Ich kann verraten, dass ich glaube, dass es wahrscheinlich vier Botschaften gewesen wären.“

Nun hat US-Verteidigungsminister Mark Esper unmissverständlich mitgeteilt, keinerlei konkreten Beweis zu kennen. Er widerspricht damit Trump offen. Mag sein, dass da ein neuer Machtkampf unter den US-Republikanern heraufzieht. Vor allem aber erinnert Trumps sogenannte Beweisführung fatal an den angeblichen Hufeisenplan im Jugoslawien-Konflikt und die vermeintlichen Massenvernichtungswaffen Iraks unter Saddam Hussein. Ausgedachte Gründe, in den Krieg zu ziehen. Und noch weiß niemand – anderthalb Wochen nach dem Soleimani-Anschlag -, was daraus weltpolitisch folgt.

Der Vorschlag des US-Verfassungsrechtlers Bruce Ackerman, die einsam beschlossene Tötung von Soleimani als Anklagepunkt in das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aufzunehmen, sollte nun eine dringende Forderung werden.¹

Jeder Flugzeugabsturz ist schrecklich – sei er auf einen technischen Defekt oder einen gezielten Anschlag zurückzuführen. Aber ein Flugzeugabsturz durch einen Abschuss „aus Versehen“ wäre an schrecklicher Absurdität nicht mehr zu überbieten. Sollte sich der Verdacht eines fatalen Irrtums bestätigen, wäre der vorläufige Höhepunkt der Zuspitzung in dem eskalierenden Konflikt zwischen den USA und dem Iran erreicht.

176 Tote „aus Versehen“ - wenn die weitere Eskalation das Ziel ist, kann ein solcher Vorfall wie ein Brandbeschleuniger wirken. Aber auch der gegenteilige Effekt ist denkbar. Denn zumindest für die iranische Seite ist der sich verhärtende Verdacht ein Desaster: Unter den Opfern von Teheran befinden sich 82 Iraner. Ein Land aber, dessen Luftabwehr in Erwartung von Gegenschlägen auf den Raketenbeschuss der US-Luftwaffenstützpunkte im Irak eigene Landsleute abschießt, droht den Rückhalt in der Bevölkerung zu verspielen, auf den es nach der Tötung Soleimanis gebaut hatte.

Schon zeichnen sich durch den internationalen Druck und die Forderung nach Aufklärung diplomatische Verbindungen wider Willen ab. Der Iran beharrt zwar noch auf seiner Darstellung eines technischen Defekts als Ursache, lässt aber nun doch Experten aus den USA, Kanada, Frankreich und der Ukraine ins Land, um gemeinsam die Hintergründe des Absturzes zu ermitteln.

Allein dieser Vorgang hat eine zumindest vorläufig entschärfende Wirkung auf den politischen Konflikt. Wer zusammen ermittelt, muss sich zwangsläufig im Umgang miteinander mäßigen. Zugleich wächst mit jedem persönlichen Detail, das über die so unbeteiligten wie unschuldigen Absturzopfer bekannt wird, ihre mahnende Wirkung auf alle Kriegstreiber. Das wäre in allem absurden Schrecken noch der größte Sinn, den man ihrem Tod beimessen könnte.²

¹neues deutschland ²Ekkehard Rüger – Westdeutsche Zeitung

DasParlament

Ihre Meinung ist wichtig!

Ihre Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.