EuGH-Urteil zur Verteilung von Flüchtlingen

Ungarn und die Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen

Die Migrationsfrage hat das Zeug, zur Schicksalsfrage für die EU zu werden. Seit Beginn der Migrationskrise vor zwei Jahren ist viel Zeit ins Land gegangen. Beim Brexit-Referendum hat die ganze Gemeinschaft tief in den Abgrund geblickt. Ein Prozess der Erosion war zu befürchten. So schlimm kam es nicht. Die meisten Bürger sind mittlerweile davon überzeugt, dass ihnen die europäische Einigung viel wert ist. Deshalb müssen die Regierungen Farbe bekennen. Wenn sie es wirklich ernst meinen mit Europa, können sie sich einem solidarischen Ansatz in der Flüchtlingspolitik nicht verweigern. Stuttgarter Nachrichten

Ungarn und die Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen

Gut gebrüllt Löwe, könnte man dem Europäischen Gerichtshof zurufen. Sein Urteil zur Flüchtlingsverteilung ist eine klare Botschaft an Ungarn und die Slowakei. Und nicht nur an die, sondern an alle, die glauben, dass EU-Recht und EU-Vereinbarungen, sagen wir mal, nicht so wichtig sind. Brüssel lässt sich nicht alles gefallen. Zumindest scheint es so. Doch bei der Frage nach Konsequenzen für Aufnahmeverweigerer brüllt der Löwe nicht mehr so laut. Bei der EU wissen sie genau, wie zahnlos der Löwe im Ernstfall wird. Fügen sich Ungarn und die Slowakei nicht, drohen ihnen EU-Vertragsverletzungsverfahren. Was gewaltig klingt, hat höchstens finanzielle Strafen zur Folge. Und bei denen ist laut EU-Vorschriften zu beachten, dass das zu bestrafende Land in der Lage ist, sie zu bezahlen. Allzu drakonisch fallen die Strafen nicht aus.

So berechtigt das Urteil des EuGH schon deshalb ist, weil es den solidarischen Charakter der Staatengemeinschaft einfordert – es zeigt das wachsende, grundsätzliche Problem der Union. Als Melkkuh wird sie gern genommen. Gilt es aber, unpopuläre Vorgaben umzusetzen, wird Brüssel am liebsten ignoriert. Um das zu erkennen, brauchte es nicht erst den Streit um Flüchtlinge. Spätestens der ignorante Umgang einiger Länder mit den Vorschriften zur Verschuldung hat diese Wunde aufgerissen. Zuletzt war die polnische Justizreform Beispiel für den Zwist zwischen Regierungen, die nach nationaler Souveränität schreien, und der EU, die auf Zusammenhalt pocht. In letzter Konsequenz ist auch der Brexit hier einzuordnen. Die EU-Feindlichkeit vieler Briten geht auf das Gefühl zurück, dass sie die Kontrolle über ihr Land verloren haben.

So weit die ernüchternde Bestandsaufnahme. Und nun? Drei Schritte sind Brüssel zu empfehlen. Erstens müssen Vertragsverletzungsverfahren, so symbolisch sie sein mögen, durchgezogen werden. Sonst gäbe man sich der Lächerlichkeit preis. Zweitens muss die EU darüber nachdenken, was sie sein will: ein loser Wirtschaftsverbund von Staaten, von denen einige eine gemeinsame Währung haben, oder doch eine echte global wahrnehmbare politische Einheit. Drittens müssten Konsequenzen aus dem Selbstverständnis gezogen werden. Im schlimmsten Fall wäre – nach all dem Jubel über die Erweiterung der EU – eine Verkleinerung auf jene Staaten zu diskutieren, die den europäischen Gedanken ernst nehmen. Neue Westfälische

EuGH-Urteil zur Flüchtlingsverteilung – Auch die anderen müssen liefern

Fairerweise müssen sich aber auch die anderen Mitgliedstaaten an die eigene Nase fassen. Denn die übrigen EU-Länder haben gerade einmal knapp 28.000 Hilfesuchende aufgenommen. Damit die Umsetzung endlich Fortschritte macht, muss aber auch Italien besser arbeiten – von 7200 in diesem Jahr für das Verfahren infrage kommenden Asylsuchenden sind lediglich 400 registriert worden. Bei all dem muss sich die EU fragen, was für ein Bild sie nach außen zeigt – das einer starken, geeinten Gemeinschaft sieht jedenfalls anders aus. Straubinger Tagblatt

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