Bayer gibt mit der Tiermedizin eines seiner besten Geschäfte ab. Die wechselnden Arbeitnehmer können sich über die Jobgarantien freuen. Aber für Bayer schaffen die Milliardeneinnahmen nur eine Atempause: Der Konzern braucht einen Glyphosat-Kompromiss. Der Verkauf der Tiermedizin-Sparte von Bayer an den US-Konzern Elanco muss differenziert bewertet werden: Vorstandschef Werner Baumann kann stolz darauf sein, 7,6 Milliarden Dollar für das aus Monheim gesteuerte Geschäft zu erhalten. Betriebsräte und Arbeitnehmer können sich freuen, dass die langjährigen Jobgarantien auch im neuen Unternehmen gelten werden.
Und für 4200 den Arbeitgeber wechselnde Mitarbeiter könnte es sogar besser sein, zur künftigen Nummer Zwei auf dem Weltmarkt für Tiermedizin zu gehören, statt als sehr kleiner Ableger von Bayer ein Schattendasein zu fristen. Gleichzeitig muss es Bayer aber endlich gelingen, die Rechtsstreitigkeiten wegen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat zu einem gütlichen Ende zu führen. Den Verkauf der hochprofitablen Tiermedizin-Sparte hat Bayer in Wahrheit nur nötig, weil die Glyphosat-Klagen die Leverkusener in die Defensive getrieben haben. Deutschlands früher wertvollstes Unternehmen hat in den vergangenen Jahren die Hälfte seiner Marktkapitalisierung verloren, weil Zahlungen in Höhe von zig Milliarden Euro wegen der beim Monsanto-Kauf stark unterschätzten Glyphosat-Risiken drohen.
Um Zeit zu schinden, mag der Verkauf der Tiermedizin-Sparte klug gewesen sein. Um Bayer dauerhaft zu stabilisieren und zu stärken, muss es aber einen Friedensschluss zu Glyphosat geben. Es ist gut für Bayer, dass der Aufsichtsrat am 26. Juni entschieden hat, sich in die Gespräche zu Glyphosat einzuschalten. Er begrüßte die Bestellung von Ken Feinberg als Mediator. In Hoffnung auf eine Glyphosat-Einigung stieg seitdem der Kurs um 15 Prozent. Hoffen wir für Bayer, dass es den Glyphosat-Frieden wirklich geben wird. Sonst könnte der Winter in Leverkusen sehr unangenehm werden.¹
Eines hat Bayer zumindest noch nicht verlernt – den Vollzug angekündigter Portfoliomaßnahmen. Nicht einmal ein Jahr haben die Leverkusener gebraucht, um die im vergangenen November aufgesetzte Verkaufsliste abzuarbeiten. Insbesondere der jüngste Deal, der Verkauf der Tiermedizin, kann sich dabei sehen lassen. Denn an dem vereinbarten Verkaufspreis von 7,6 Mrd. Dollar – entsprechend einem Vielfachen des operativen Ergebnisses vor Abschreibungen von fast 19 – gibt es kaum etwas auszusetzen.
Natürlich wäre es aus Sicht von Bayer schöner gewesen, wenn mit dem Abschluss, der Mitte kommenden Jahres erwartet wird, der gesamte Kaufpreis bar in die Kasse geflossen wäre. Doch umgekehrt erhalten die Leverkusener mit dem Aktienpaket von Elanco auch die Chance auf einen Zusatzgewinn, wenngleich der gewichtete Durchschnittskurs, auf Basis dessen sich die Zahl der zu emittierenden Aktien berechnet, derzeit deutlich über dem aktuellen Niveau liegt.
Als Schwierigkeit könnte sich dabei allerdings erweisen, dass Bayer mit der Transaktion zum zweitgrößten Aktionär von Elanco aufsteigt. Größter Einzelaktionär ist weiterhin der Pharmakonzern Eli Lilly, der Elanco erst im vorigen September an die Börse gebracht hat und weiterhin die Mehrheit hält. Immerhin kennt man sich in Leverkusen in puncto Aktienüberhang aus, wie die smarte Trennung von Covestro zeigte.
Doch obwohl Bayer die Verkaufsliste in Windeseile abgearbeitet hat und in Summe nach Steuern mit Mittelzuflüssen von 7 Mrd. Euro rechnen darf, wie Citi Research kalkuliert, bleibt Bayer der Applaus von der Börse verwehrt. Nur einen kurzen Hüpfer machte der Dax-Wert am Dienstag, bevor der Kurs im Einklang mit dem Dax wieder in den Blues überging. Das Problem dafür ist seit mehr als einem Jahr bekannt und wird sich so schnell auch nicht beiseite wischen lassen: Die Klagen im Zusammenhang mit dem glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup, die sich Bayer mit der Übernahme von Monsanto eingekauft hat.
Zwar sind im Aktienkurs mittlerweile mehr als 25 Mrd. Dollar an Vergleichszahlungen eingearbeitet, doch die Unsicherheit hängt wie ein Damoklesschwert über dem Kurs. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, legt Bayer im laufenden Mediationsverfahren doch zu Recht Wert darauf, mit einem etwaigen Vergleich auch künftige Klagen abzuräumen. Hierfür sind jedoch besonders dicke Bretter zu bohren. An diesem Punkt zum Vollzug zu schreiten, schaffte weitaus mehr Vertrauen.²
¹Rheinische Post ²Annette Becker – Börsen-Zeitung