DIW-Studie: Mietendeckel hat das Wohnungsangebot verknappt

ifo Institut und immowelt: Berliner Mietendeckel spaltet den Markt – Bestandsimmobilien 4% günstiger, Neubauten 17% teurer

Der Mietendeckel hat negative Folgen für Neu-Berliner. Zwar sind die Preise für regulierte Wohnungen nach der Einführung des Mietendeckels vor einem Jahr um rund elf Prozent gesunken. Gleichzeitig aber hat sich die Zahl der angebotenen Mietwohnungen halbiert. Das zeigt eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dessen Ergebnisse dem Tagesspiegel exklusiv vorliegen.¹

Warum die Mieten noch stärker reguliert werden müssen

Der Mietendeckel ist kein Allheilmittel. Das zeigen die Erfahrungen des vergangenen Jahres. Aber mit diesem Notwehr-Instrument hat Rot-Rot-Grün in der Hauptstadt dennoch bewiesen, dass die Politik maßlose Steigerungen der Mieten nicht hinnehmen muss, sondern ein regulierendes Gegensteuern auch auf Landesebene möglich ist. Viele Berlinerinnen und Berliner genießen eine Atempause, weil ihre Mieten auf fünf Jahre eingefroren sind, nachdem sich diese zuvor innerhalb von zehn Jahren quasi verdoppelt hatten. Einige, die eine deutlich über den Obergrenzen liegende Miete zahlen müssen, können seit Herbst 2020 sogar eine Absenkung beantragen. Und im Fall der Neuvermietung werden nicht mehr Mondpreismieten verlangt, sondern die zuvor üblichen. Die Folgen sind sinkende oder zumindest stabile Mieten. Das war das Ziel des Deckels, nicht mehr, nicht weniger.

Ob die Schutzwirkung auf die gesamten geplanten fünf Jahre wirkt, wird das Bundesverfassungsgericht zu klären haben. Eine entsprechende Entscheidung dürfte Karlsruhe noch in diesem Jahr fällen. Dabei geht es um die Grundsatzfrage, ob Berlin als Bundesland überhaupt berechtigt ist, eine landesweite Regulierung des Wohnungsmarktes vorzunehmen. Oder ob das nicht dem Bund vorbehalten ist.

In jedem Fall können auch die Richterinnen und Richter nicht die Mietpreisexplosion ignorieren, die sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt ereignete. Der sogenannte Mietenwahnsinn ist für viele Berlinerinnen und Berliner eine bittere Realität, der dazu führte, dass immer weniger Haushaltseinkommen zur Verfügung steht. Nicht zuletzt durch Spekulation verschärfte sich die Lage weiter. Dass es jetzt erste Anzeichen für eine Trendumkehr gibt, ist auch dem Mietendeckel zu verdanken, der hoffentlich auch vor Gericht Bestand haben wird.²

Eine gemeinsame Analyse des ifo Institutes und immowelt anlässlich des einjährigen Bestehens des Berliner Mietendeckels zeigt:

– Angebotsmieten von Wohnungen, die vom Mietendeckel erfasst werden, gehen seit der Ankündigung des Gesetzes um 4 Prozent zurück
– Nicht regulierte Mieten von Neubauten (Baujahr ab 2014) steigen hingegen um 17 Prozent
– Anzahl an Mietangeboten der vom Mietendeckel betroffenen Immobilien sinkt, Kaufangebote steigen
– 80 Prozent der regulierten Angebotsmieten liegen nach wie vor oberhalb der zulässigen Höchstmieten
– Auswirkungen auf Immobilienkauf: unterschiedliche Entwicklung von Bestand- und Neubauwohnungen

Vor einem Jahr ist in Berlin der Mietendeckel in Kraft getreten. Die Auswirkungen sind deutlich zu spüren: Vom 1. Quartal 2019, also vor Ankündigung des Gesetzes, bis Mitte Februar dieses Jahres sind die Angebotsmieten für vom Mietendeckel betroffene Wohnungen durchschnittlich um 4 Prozent gesunken. Die nicht regulierten Mieten (Neubauten ab 2014) sind dagegen im gleichen Zeitraum um 17 Prozent angestiegen. Das zeigt eine gemeinsame Analyse des ifo Instituts und immowelt. Die stark unterschiedlichen Entwicklungen zwischen regulierten und nicht regulierten Wohnungen führt zunehmend zu einer Zweiteilung des Berliner Immobilienmarktes. Zudem sinkt durch die preisliche Regulierung der Anreiz, in die Aufwertung von Bestandsimmobilien zu investieren.

Im Vergleich mit den 13 anderen deutschen Großstädten über 500.000 Einwohner verdeutlicht sich der Einfluss des Mietendeckels: In den nächstgrößeren Städten steigen die Mieten im regulierten Segment deutlich stärker als in Berlin. Ein komplett gegensätzliches Bild zeigt sich im unregulierten Markt: Hier haben sich die Mieten in Berlin stärker erhöht als die der anderen Großstädte.

Weniger Mietangebote, mehr Kaufangebote

Eine weitere Folge des Mietendeckels ist die sinkende Zahl von Mietanzeigen regulierter Bestandswohnungen. Bereits seit der Ankündigung des Mietendeckels im Juni 2019 ist die Anzahl der Mietangebote rückläufig. Dass es sich um keinen deutschlandweiten Trend handelt, zeigt auch hier der Vergleich mit den anderen Großstädten, wo die Angebotszahl in den vergangenen 1,5 Jahren anstieg. Ein anderes Bild zeigt sich bei den Kaufanzeigen im regulierten Segment: Diese haben in Berlin besonders im Laufe des vergangenen Jahres einen großen Sprung nach oben gemacht.

„Unsere Analyse zeigt deutlich die Schwächen des Mietendeckels auf: Anstatt für neuen Wohnraum zu sorgen, werden Wohnungen dem Mietmarkt entzogen. Für viele Eigentümer ist die Vermietung nicht mehr rentabel, da sie auf einkalkulierte Mieteinnahmen verzichten müssen. Durch das schrumpfende Angebot wird die Wohnungssuche somit deutlich erschwert“, sagt Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts.

80 Prozent über Höchstmiete

Neben dem Auseinanderdriften von regulierten und unregulierten Mieten fällt auf, dass auch nach Inkrafttreten des Mietendeckels 80 Prozent der Angebotsmieten im regulierten Segment noch immer oberhalb der zulässigen Höchstmieten liegen. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die in den Wohnungsannoncen genannten Mieten von den Mieten, die die Vermieter tatsächlich verlangen, abweichen. So enthalten zahlreiche Annoncen auf immowelt.de den Hinweis, dass die Miete nur solange abgesenkt wird, wie der Mietendeckel gilt. Im Falle einer Verfassungswidrigkeit müssten betroffene Mieter mit einer deutlichen Erhöhung der Mietkosten rechnen.

„Unsere Befürchtungen haben sich leider bestätigt: Der Berliner Mietendeckel hat das Auseinanderdriften des Wohnungsmarktes nochmal befeuert. Für Mieter wird es schwieriger auf dem freien Markt günstigen Wohnraum zu finden, da die Zahl der angebotenen Mietwohnungen schrumpft“, sagt Cai-Nicolas Ziegler, CEO von immowelt. „Die aus unserer Sicht einzige Lösung den Mietmarkt zu entspannen, ist die Schaffung von gefördertem Wohnraum. Hier ist die Politik in der Pflicht.“

Auswirkungen auf den Immobilienkauf

Der Eingriff in den Mietmarkt wirkt sich auch auf die Preisentwicklung von Eigentumswohnungen aus. Die Analyse zeigt, dass das Preiswachstum im regulierten Segment in Berlin geringer als in anderen deutschen Großstädten ist. Bei Neubauten sind die Kaufpreise hingegen etwas stärker gewachsen als in anderen Großstädten. Auch bei den Kaufimmobilien geht folglich die Schere zwischen Bestand und Neubau weiter auf.

Das steckt hinter dem Mietendeckel

Der Mietendeckel wurde Ende Januar vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen und ist am 23. Februar 2020 in Kraft getreten. Das Gesetz sieht ein Einfrieren der Mieten von Bestandswohnungen mit Baujahr vor 2014 auf den Stichtag der Ankündigung (18.6.2019) vor. Gleichzeitig gelten Mietobergrenzen, deren Höhe von Baujahr, Lage und Ausstattung abhängt. Maßstab hierfür ist das Preisniveau des aktuellen Berliner Mietenspiegels. Für die Analyse wurden Annoncen bei Immowelt von Januar 2017 bis Mitte Februar 2021 ausgewertet.³

¹Der Tagesspiegel ²nd.DerTag / nd.DieWoche ³Immowelt AG

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