Der Druck auf Griechenland wächst. Das Land ist in akuter Finanznot und das verlängerte Hilfsprogramm läuft nur bis Ende Juni. Doch den europäischen Geldgebern reichen die bisherigen Reformvorschläge nicht aus, um weitere Hilfen zu gewähren. Die Geduld mit Griechenland scheint am Ende. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem kritisierte: „Wir haben mehr als zwei Wochen verloren.“ Am Mittwoch wollen die griechische Regierung und die Vertreter der europäischen Geldgeber ihre Gespräche über den weiteren Reformkurs wieder aufnehmen. Droht Griechenland der Kollaps und muss Europa schneller Gelder zahlen, wie es Athen fordert? Wie ernst meinen es die Griechen mit der Zusammenarbeit und ihren Reformversprechen? Oder steht am Ende der Rettung doch der „Grexit“? – ANNE WILL, Das Erste
Wahrscheinlich ist es an der Zeit, der Regierung in Athen zu erklären, dass ihre Sorgen – und damit auch die Probleme Europas – nicht durch Erpressung oder Drohungen zu lösen sind. Wäre die Lage nicht so dramatisch, man könnte die Sprüche des griechischen Verteidigungs- wie des Finanzministers als rhetorisches Rowdytum abtun. Ausweispapiere an Flüchtlinge verteilen, damit diese dann nach Deutschland reisen könnten, oder die Warnung vor Neuwahlen beschleunigen in Brüssel bei niemandem den Puls. Diese Provokationen laufen ins Leere ebenso wie die Beschimpfungen der solidarischen Gläubiger. Dagegen schnellt bei Europas Finanzministern der Blutdruck nach oben, wenn sie sich mit der Unfähigkeit der Athener Administration auseinandersetzen müssen. Von 20 Maßnahmen hat Premier Tsipras nach Brüsseler Informationen nur sechs umgesetzt. Mit einer Steuer auf Internet-Glücksspiele und Hobby-Steuerfahndern, die durch Kneipen und Nachtklubs tingeln, werden die Milliarden, die Griechenland in Kürze zahlen muss, nicht einzutreiben sein. Seit Jahrzehnten wird das Land von der korrupten Elite ausgepresst. Nun gaukelt die Regierung ihren Landsleuten vor, sie könnten wählen zwischen ihrer vermeintlich in Gefahr befindlichen Würde und Frondiensten.
Das Land steht vor dem Staatsbankrott. Der erst wenige Wochen amtierende Tsipras trägt einen Gutteil Verantwortung daran. Wer dem Euro-Austritt aber nun das Wort redet, der möge erklären, wie die Griechen künftig Importe bezahlen, was sie überhaupt exportieren und wie sie ihre Schulden bedienen sollen. Und das in einer realen Wirtschaft und nicht unter wirtschaftswissenschaftlichen Laborbedingungen.
Noch lehnt Tsipras Kontrollen der internationalen Gläubiger ab, noch hofft er, die Sparauflagen verwässern zu können. Er wird einlenken müssen. Sollte der Premier auf seinen radikalen Positionen beharren, wird es für Griechenland schlimm enden. Die von ihm angefeindeten Banken werden die Krise ebenso wie die EU überstehen. – Schwäbische Zeitung
Politologe Altvater fordert Schuldenschnitt für Griechenland
Der Politikwissenschaftler Elmar Altvater hat einen Schuldenschnitt für Griechenland gefordert. „Nicht mehr tragbare Schulden müssen auf geregelte Weise reduziert werden“, schreibt er in einem Gastbeitrag für die in Berlin erscheinende Tageszeitung „neues deutschland“ (Mittwochausgabe). „Doch darum drücken sich die Neoliberalen aller Länder, obwohl sie aus der Geschichte der vergangenen 3000 Jahre wissen müssten, dass keine Finanzkrise jemals ohne Schuldenschnitt überwunden wurde.“ Gleichzeitig äußerte Altvater Verständnis für die Entscheidung der Athener Linksregierung, das Kreditprogramm für das krisengeplagte Land zu verlängern. „Dass die griechische Regierung dem zustimmen musste und mit dieser Geste noch nicht einmal den unsäglichen Druck aus Brüssel und Berlin lindern kann, zeigt nur, wie verzweifelt die Lage einer Linksregierung in Europa ist“, so der emeritierte Professor von der Freien Universität Berlin. – neues deutschland