Wenn es der Türkei lediglich um die Abwehr einer angeblichen Gefahr aus Syrien ginge, könnte sie die Grenze absichern, wie es die USA vorschlagen. Doch offenbar will Erdogan die Kurden aus Nordsyrien vertreiben und eigene Territorien besetzen. Damit brüskiert die Türkei den kurdischen Partner USA, wahrscheinlich mit Unterstützung Russlands. Eine Befriedung der Lage in Syrien sieht wohl anders aus. Dass Erdogan sein Vorgehen als Anti-Terror-Maßnahme bezeichnet, ist verlogen, bekämpft er doch genau jene Kurden, die den IS bekämpfen. Fragen nach der zukünftigen Nato-Mitgliedschaft der Türkei sind schmerzhaft, aber leider wohl auch berechtigt. Michael Bröcker – Rheinische Post
Die Regierung hat sich dieser Tage gerühmt, Deutschland verfüge über „das restriktivste Rüstungskontrollsystem, das wir je hatten“. Das heißt aber noch lange nicht, dass es gut ist, wie die aktuellen Bilder aus Nordsyrien zeigen. Bei der Lieferung von Panzern an die Türkei fehlte eine Klausel, dass sie nur zur Bündnisverteidigung eingesetzt werden dürfen. Und obwohl Rüstungsgeschäfte mit Ankara wegen der verschlechterten Beziehungen aktuell auf dem Prüfstand stehen, gilt weiter der Grundsatz, dass Exporte an Alliierte nur „aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen“ untersagt werden. Die Türkei ist aber kein normaler Nato-Verbündeter mehr. Darauf hat die Allianz noch keine Antwort gefunden. Stuttgarter Zeitung
Sevim Dagdelen (Linke) zu türkischer Militäroffensive und Waffenexporten: „Da zeigt sich die ganze Absurdität“
Nach der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien hat die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen erneut einen Stopp der deutschen Rüstungsexporte gefordert. „Die beste Kontrolle von Waffenexporten sind: ein Verbot von Waffenexporten“, sagte Dagdelen am Mittwoch im Interview mit dem TV-Sender phoenix. In Nordsyrien starte ein Nato-Partner mit deutschen Waffen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Auf der anderen Seite wiederum seien Panzerabwehrraketen im Einsatz – offenbar auch aus Deutschland. „Da zeigt sich die ganze Absurdität, dass überall deutsche Waffen geliefert werden und keine Kontrolle stattfindet“, sagte die Linken-Politikerin und erhebt Vorwürfe gegen die geschäftsführende Regierung: „Da zeigt sich der ganze Zynismus der Exportpolitik der vergangenen Bundesregierungen, aber ganz besonders der unter Angela Merkel und dem ehemaligen Wirtschaftsminister, jetzt Außenminister Sigmar Gabriel.“
Die am Samstag gestartete türkische Militäroffensive in Afrin richtet sich gegen die YPG, die Ankara als syrischen Zweig der PKK und daher als Terrororganisation betrachtet. phoenix-Kommunikation
Gibt es Wege, einem Nato-Partner Waffen zu verwehren? Bürokraten sind erfinderisch und haben dafür die sogenannte Einsatzbeschränkung erdacht, wonach ein Empfängerstaat unterschreiben muss, dass er Waffen aus deutscher Produktion nur zur Verteidigung gegen einen Angriff verwenden wird, der von außen kommt. Klingt gut, ist aber in Wirklichkeit nur eine Beruhigungspille und stand überdies im aktuellen Fall der Lieferung von Leopard-2-Panzer aus deutschen Herstellung offenbar gar nicht in den Vertragsunterlagen. Denn vor einigen Jahren war die Bundesregierung auch noch der Ansicht, Recep Tayyip Erdogan sei ein Modernisierer seines Landes, dem aggressives militärisches Vorgehen fremd sei. So kann man sich täuschen, so kann man die Augen verschließen. So sieht Rüstungsexportpolitik aus, die wenig vorausschauend ist. Mitteldeutsche Zeitung
Völlig unerheblich, ob der letzte Beweis geführt ist oder nicht – allein die Möglichkeit, dass die Nato-Partnerin Türkei deutsche Waffen für ihren Feldzug in syrischen Kurdengebieten einsetzt, zwingt Deutschland zu einer klaren Haltung. Im konkreten Fall hieße das in der Abwägung: Der Zusammenhalt in der Nato steht obenan, denn die Allianz garantiert Deutschlands äußere Sicherheit. Dahinter treten ebenfalls wichtige Aspekte zurück wie das Bemühen, mit Waffenverkäufen ins Ausland keine Konflikte anzuheizen. Im Klartext: Will die Türkei deutsche Schutzausrüstung für ihre deutschen Panzer, soll sie die bekommen. Generell braucht Deutschland endlich eine plausible, aus deutschen und aus EU-Interessen abgeleitete Marschroute für die Ausfuhr von Waffen. Wann, wenn nicht jetzt angesichts der türkischen Syrien-Politik will der Bundestag damit anfangen, die Wegmarken dafür abzustecken? Stuttgarter Nachrichten