Wer hätte das gedacht? Horst Seehofer (CSU) wandelt sich gegen Ende seiner Karriere noch vom Saulus zum Paulus. „Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden“, schreibt er seinem Amtskollegen Matteo Salvini ins Stammbuch. Der barmherzige Samariter Seehofer gegen den Schotten-dicht-Politiker Salvini: Dieser Gegensatz ist bemerkenswert.
Vor nicht allzu langer Zeit waren beide noch Brüder im Geiste. Seehofers 180-Grad-Schwenk ist ein populistisches Manöver. Doch ein Problem wie die weltweite Flüchtlingskrise lässt sich nicht durch moralische Reflexe in Berlin oder Brüssel lösen. Ein mehrstufiger Ansatz tut not. Seenotrettung ist eine Aufgabe der Politik. Eine Koalition der Willigen innerhalb der EU sollte die Initiative ergreifen.1
„Wir brauchen eine echte, systematische Zusammenarbeit mit Afrika und keine staatlich geförderte Schleuserei! Es geht darum, Potenziale in Afrika zu heben und den Menschen in ihrer Heimat eine Zukunft zu geben. Mit falschen Anreizen locken wir die Menschen nur in die tödlichen Gefahren des Mittelmeeres, aber vor allem in die Sahara“. Mit diesen Worten weist Klaus Steiner, der entwicklungspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, die Forderungen von Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete zur Flüchtlingspolitik zurück.
„Der Vorschlag von Carola Rackete, eine halbe Million Flüchtlinge aus libyschen Flüchtlingslagern nach Europa zu holen, ist bestenfalls naiv und geht völlig in die falsche Richtung“, kritisiert Steiner. „Mit so etwas befördern wir nur das Geschäft der Schlepper in Afrika – und der AfD in Deutschland.“ Es müsse jedem klar sein, dass so eine Aktion nur einen unglaublichen Anreiz setzt, sich auf den Weg nach Europa zu machen. „So etwas wird in Afrika sofort registriert. Die Flüchtlingslager in Libyen wären sofort wieder voll. Wir würden die afrikanischen Transitländer wie Burkina Faso oder Niger zusätzlich massiv belasten. Aber vor allem: Es würden viele, viele Menschen den Weg durch die Sahara versuchen. Schon heute sterben dort viel mehr Menschen auf ihrem Weg nach Europa als im Mittelmeer“, sorgt sich Steiner.
Außerdem erweise ein solches Vorgehen vielen afrikanischen Ländern einen Bärendienst. „Es sind nämlich vor allem die jungen Leute, die vor Ort gerade nicht zu den ärmsten gehören, die sich auf den Weg nach Europa machen. Nur sie können die Schlepper bezahlen oder dafür einen Kredit aufnehmen. Es sind aber gerade diese jungen Leute, die in den afrikanischen Ländern dringend gebraucht werden. Das hat mir zum Beispiel auch der Bischof von Dakar ausdrücklich bestätigt, “ meint Steiner, der gerade von einer Arbeitsreise aus Tansania zurückgekehrt ist. „In vielen Ländern Afrikas – beispielsweise Äthiopien, Ruanda oder Botswana – beobachten wir gerade große Veränderungen. Sie gestalten die Zukunft und schaffen Perspektiven vor Ort. Was wir jetzt tun müssen: Wir müssen diesen Ländern und anderen Ländern, die gerade diesen Weg betreten, die Hand zu einer echten Zusammenarbeit und Partnerschaft reichen. Afrika hat unglaublich viele Potenziale. Da muss man gemeinsam aufbauen. Da haben alle etwas davon.“
Steiner unterstützt daher den Weg, den Bayern in der Entwicklungszusammenarbeit einschlägt, nicht zuletzt mit dem Besuch von Ministerpräsident Dr. Markus Söder in Äthiopien. „Es geht nicht um mehr Entwicklungshilfegeld mit der Gießkanne, sondern um eine gezielte, systematische Zusammenarbeit beim Aufbau einer funktionierenden Verwaltung, in der Bildung und in der Wirtschaft.“2
1Michael Backfisch – Berliner Morgenpost 2CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag