Falsche Zinsberechnungen von Banken und Sparkassen bei langfristigen Prämiensparverträgen sind nach Auffassung der Bundesregierung ein gravierendes Problem in Deutschland. „Mit Blick auf fehlerhafte Zinsberechnungen bei Prämiensparverträgen aufgrund unwirksamer Zinsanpassungsklauseln sind nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen der BaFin eine größere Anzahl von Instituten und eine Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern betroffen“, heißt es in der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Sie liegt der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vor.
Die Finanzaufsicht BaFin habe zur Aufklärung Stellungnahmen der betroffenen Institute angefordert. Das Ministerium verweist zudem auf die vor dem Oberlandesgericht Dresden anhängige Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Bundesweit sind nach Auskunft der Verbraucherzentralen von falsch berechneten, zu niedrigen Sparzinsen zehntausende Sparer betroffen. „Allein die Verbraucherzentralen haben bis heute schätzungsweise an die 10.000 Fälle von falschen Zinsberechnungen festgestellt“, sagte Beate Weiser von der zuständigen Verbraucherzentrale Baden-Württemberg der Zeitung.
„Da es eine hohe Dunkelziffer von betroffenen Kunden gibt, die sich noch nicht bei uns gemeldet haben, gehen wir von mehreren zehntausend Fällen bundesweit aus“, sagte Weiser. Aus Sicht der Grünen blieb die Bundesregierung zu lange untätig. „Anstatt dass die Bundesregierung hier pro aktiv vorgeht und den Gründen für falsch berechnete Zinsen auf die Spur kommt, sitzt sie das Thema lieber aus“, sagte Grünen-Politiker Stefan Schmidt. „Dabei riskiert sie, dass Kommunen möglicherweise in akute finanzielle Schieflagen geraten und zusätzlich noch die Finanzstabilität ganzer Kreditinstitute gefährdet wird“, so Schmidt.
Kontext:
Bei bestimmten langfristigen Sparverträgen werden Verbrauchern seit Jahren zu niedrige Zinsen gutgeschrieben, weil die Kreditinstitute den Zinssatz in unzulässiger Weise reduzieren. Die falschen Zinsberechnungen sind darauf zurückzuführen, dass in alten Sparverträgen aus den 1990-er und 2000-er Jahren oft noch Zinsänderungsklauseln enthalten sind, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht standhalten. Mehrfach hat der Bundesgerichtshof die Zinsänderungsklauseln für unwirksam erklärt, die nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweisen.
Banken und Sparkassen dürfen zwar den variablen Zinssatz anpassen, jedoch nicht einfach willkürlich. Das Verfahren der Zinsänderung müsse transparent und nachvollziehbar sein. Viele Banken haben den variablen Zinssatz schneller und stärker heruntergesetzt, als es nach dem so genannten Referenzzinssatz am Markt eigentlich angezeigt gewesen wäre. In den letzten Jahren sind die Marktzinssätze erheblich gefallen. Infolgedessen haben die Kreditinstitute die Sparzinsen der Verträge regelmäßig nach unten angepasst, in manchen Fällen auf bis zu 0,001 Prozent.¹
Studie: Börsenkenntnisse spielen große Rolle für mehr Chancen in der Geldanlage
Deutschlands Sparer scheinen die niedrigen Zinsen aussitzen zu wollen. Die meisten legen ihr Geld auf Girokonto (49%), Sparbuch (40%) und Tagesgeldkonto (39%) an. Anlagen, die mehr Rendite versprechen, wie Aktien und Fonds, nutzen weniger als 20 Prozent. Selbst private Rentenversicherungen, Bausparverträge und Lebensversicherungen sind beliebter. So die Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Marketagent im Auftrag von wikifolio.com, Europas führender Online-Plattform für Handelsideen von privaten und professionellen Tradern.
Die Erträge bei den bevorzugten Anlageformen würden derzeit nicht einmal die Inflation ausgleichen. So hätten Deutschlands Sparer im letzten Jahr rund 27 Milliarden Euro an Kaufkraft verloren, wie Zahlen der Deutschen Bundesbank zeigen. „Jeder deutsche Haushalt verliert so rund 650 Euro im Jahr an Kaufkraft. Das ist der Gegenwert eines Kurzurlaubs“, verdeutlicht Andreas Kern, Gründer und CEO von wikifolio.com.
Laut der Umfrage von wikifolio.com sparen die meisten Deutschen für Notfälle (55%), langfristigen Vermögensaufbau (36%) und private Altersvorsorge (43%). Allerdings lassen vor allem Frauen (51%) und die Unter-40-Jährigen (54%) ihr Geld meist unverzinst auf dem Girokonto liegen.
Wissen über Geldanlage und Börsen lohnt sich
Wer dagegen bereits in börsengehandelte Anlageprodukte investiert hat oder dies in naher Zeit plant, bevorzugt dabei Aktien (41%), Fonds (38%) und ETFs (20%). Noch höher sind diese Anteile, wenn die Befragten ihre Kenntnisse über Geldanlage und Kapitalmarkt als „gut“ einschätzen.
„Sich mit Geldanlage auseinanderzusetzen ist ein Muss“, betont Kern. So konnten Anleger, die ihr Kapital weltweit in Aktien streuen, in den letzten fünf Jahren rund 30 Prozent Vermögenszuwachs erzielen (Basis: weltweiter Aktienindex MSCI World).
Vielleicht hat sich das inzwischen herumgesprochen: Fast jeder zweite Befragte kann sich vorstellen, in Aktien, Fonds oder ETFs zu investieren.²
¹Rheinische Post ²wikifolio