Die Regierung in Teheran hatte den Iran stets als sicherstes Land in der Region gepriesen. Doch nun hat der islamistische Terror auch den Gottesstaat erreicht. Es ist fast ein Wunder, dass es so lange gedauert hat. Ist der Iran doch der wichtigste Verbündete von Syriens Diktator Baschar al Assad im syrischen Bürgerkrieg und hat durch seine Einmischung auch im Irak den sunnitischen Extremismus dort erheblich geschürt. Die verbissene Rivalität zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitischen Golfmonarchien ist der eigentliche Humus, auf dem der IS wuchert. Würde diese Feindschaft endlich begraben, wäre es auch mit dem IS-Terror bald vorbei. Aber danach sieht es leider nicht aus. Ganz im Gegenteil. Rheinische Post
Woran misst man die Tragweite eines Terroranschlags? An der Zahl der unschuldigen Toten und Verwundeten? An der dahinter stehenden logistischen »Leistung«? Nimmt man die Symbolkraft der Ziele – das Parlament, Khomeinis Mausoleum – und die politischen Wirkungen als Richtschnur, so hat der Terror des »Islamischen Staates« mit den beiden Anschlägen in Teheran eine neue Stufe erreicht. Bislang sahen die USA und – in abgeschwächter Form – der gesamte Westen im Iran vor allem den Finanzier der Dschihadisten, also jener selbst ernannten Gotteskrieger, die den Staat Israel beseitigen wollen. George W. Bushs Wort von der »Achse des Bösen« ist noch in Erinnerung. Nun ist der Iran selbst in der Rolle des Opfers. Selbst der für seine Brutalität berüchtigte Geheimdienst der Perser konnte die Anschläge offenbar nicht verhindern. Das wird innenpolitisch einen Schock auslösen, dessen Folgen schwer abzuschätzen sind.
Die alte Geistlichkeit wird versuchen, die Anschläge als Schwäche des wiedergewählten, relativ liberalen Präsidenten Hassan Rohani auszulegen. In der gesamten Region aber ist zu fürchten, dass die alte Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten wieder voll ausbricht. Ohnehin haben der Besuch des US-Präsidenten Donald Trump und der von ihm eingefädelte Verkauf schwerer Waffen nach Saudi-Arabien das Feuer nah an die Lunte zum Pulverfass Mittlerer Osten gelegt. Wie labil der scheinbare Frieden auf der Arabischen Halbinsel ist, zeigte sich schon vor den Anschlägen an den Auseinandersetzungen um Katar. Es steht zu befürchten, dass die Hardliner in Teheran nun Rache an den Hintermännern der Terroranschläge fordern. Ihr Zorn richtet sich wohl gegen den »Islamischen Staat«, aber mindestens genauso gegen das saudische Königreich. »Denkt ihr wirklich, wir werden einfach verschwinden?« soll einer der Attentäter einem iranischen Abgeordneten zugerufen haben, bevor er starb. Nein, der Terror wird nicht einfach verschwinden.
Je mehr der IS in seiner Hochburg in Bedrängnis gerät, desto größer ist zumindest vorübergehend die Gefahr weiterer Anschläge außerhalb des Nahen Ostens. Deshalb sollte man tunlichst nicht neue Feuer entzünden, wie es Trump möglicherweise unwissentlich getan hat. Vor einem halben Jahr hat der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die meisten Kriegsparteien in Syrien und neben Russland und der Türkei auch den Iran dafür gewonnen, die Gegensätze hintanzustellen und in Kasachstan wenigstens miteinander zu reden. Welche Leistung dies war, wird manchem erst jetzt klar. Doch leider ist es im Nahen und Mittleren Osten viel leichter, Brücken einzureißen, als über sie zu gehen. Dass darunter auch die deutsche Wirtschaft leidet, ist eine, obgleich sicher nicht die schlimmste, Folge des Terrors. Westfalen-Blatt